Full text: Europäischer Geschichtskalender. Einundzwanzigster Jahrgang. 1880. (21)

Rußland. (Juni 3—11.) 467 
wieder durch große Geld= und Waffengeschenke an die Fürsten dieser Länder 
und Ländchen oder deren Minister und Gouverneure für sich zus gewinnen, um 
so jeinen Einfluß über das ganze Gebiet zwischen dem Syr-Darja und dem 
Amu-Darja auszudehnen und sich zugleich einen offenen Weg von Taschkend 
nach Indien zu sichern. Jetzt scheint nun das Ziel der russischen Politik 
in Centralasien dahin zu gehen, sämmtliche kleinen Khanate, die zwischen 
Chiwa und Bokhara oder, deullicher, zwischen dem östlichen Turkestan und 
dem schon zu Asghanistan gehörenden Khanate Badachschan liegen, zu an- 
nexiren und der unmittelbare Nachbar von Afghanisten zu werden, sowie 
Turkestan bis an die Ufer des Amu-Darja auszudehnen. 
3. Juni. Die Kaiserin f. 
5. Juni. Der bisherige Statthalter von Polen, General. 
Graf Kotzebue, wird unter großen Gnadenbezeugungen vom Kaiser 
in Ruhestand versetzt und General Aldebinsky zum Gouverneur von 
Polen, General Drentelen zum Gouverneur von Odessa und General 
Todleben zum Gouverneur von Wilna ernannt. 
Der berühmte Genie-General und zukünftige Armeecomandant befindet 
sich somit fortan doch in unmittelbarer Nähe der deutschen Grenze. Ueber- 
dieß ist in Warschau bereits eine aus sechs Generalen bestehende Commission 
aus St. Petersburg eingetroffen, an deren Spitze der aus dem russisch-türki- 
schen Kriege bekannte General Obrutscheff steht und bei deren Berathungen 
es sich um eine dreifache Aufgabe handeln soll, nämlich 1) um die Befesti- 
gung der ziemlich offenen Vertheidigungslinie Warschau-d Demblin-Zamosc, 
2) um Erforschung der strategischen Verhältnisse der Proving Posen, 3) um 
den Bau einer ausschließlich strategischen Zwecken dienenden Eisenbahn von 
Sieglee in Podlachien bis zur Station Malkinia der Warschaun-St. Peters- 
burger Eisenbahn. Eine ganz ähnliche Mission wird nun dem General 
Todleben in Bezug auf die unbefesligte lange Vertheidigungslinie zwischen 
Modlin und Brest-Litewski einerjeits und Dünaburg andrerseits zugeschrie- 
ben, und gerade zu diesem Zwecke soll ihm das e rwalinwwerkengenl in 
Wilna übertragen worden sein. 
11. Juni. Der Commandant der Expedition gegen die Achal- 
Teke-Turkmenen, General Skobeleff, geht ebenso rasch als vorsichtig 
zu Werke, um die vorjährigen Schlappen zu vermeiden. Als Haupt- 
stützpunct aller weiteren Operationen besetzt er an diesem Tage Bami. 
Das vorjährige Expeditionscorps hatte bis Ende Juli nichts weiler 
eingenommen, als die Linie von Tschikischlar zum Uebergange über den Atrek 
bei Dus-Olum. Im August marschirte der General Lasara an der Sum- 
bara entlang bis Chodscham-Kala, 100 Werst weit von Dus-Olum, und 
am 14. wurde Bendessen besetzt. Hier ereilte den Oberbefehlshaber der Tod. 
Der General Lamakin besetze am 23. Bami und Beurma, am 24. Artschman 
und am 28. geschah der unglückliche Sturm auf Dengil Tepe. Vergleichen 
wir dagegen die Erfolge Skobeleffs, so finden wir, daß derselbe 2½ Monat 
gewonnen, und das zu einer Zeit, wo die ganze Ernte der Tekiner noch in 
den Feldern steht, wogegen de im vorigen Jahre Zeit gehabt hatten, dieselbe 
in Sicherheit zu bringen. Die Besahung und Besestigung eines so wichtigen 
Punctes wie Bami am Eingange in das Achal-Tekethal beweist, daß Sko- 
beleff die Expedition methodisch führt, ohne sich zu übereilen oder Ueber- 
mäßiges zu wagen, was bei den Asiaten, wo der erste Erfolg alles bedeutet, 
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