Full text: Europäischer Geschichtskalender. Einundzwanzigster Jahrgang. 1880. (21)

Mebersicht der polilischen Enlwichlung des Jahres 1880. 569 
die Hand. Der Rückschlag blieb indeß nicht aus. Zunächst in 
Oberösterreich, nach und nach aber in allen deutschen Alpenländern, 
die ohnehin den größeren Theil der Staatslasten für die ärmeren 
slavischen Provinzen und zu deren Gunsten zu tragen haben, brach 
eine intensive Bauernbewegung aus, die zunächst gegen diese unbillige 
Mehrbelastung und gegen ihre clericalen Vertreter, die dazu die Hand 
boten, ging, aber auch für die Regierung, die solche Bestrebungen be- 
günstigte, nicht unbedrohlich erschien. Nach mehreren Besprechungen in 
engeren Kreisen setzten die Bauern Oberösterreichs endlich einen großen 
Bauerntag nach Linz auf den 10. December an, um ihre Interessen 
überhaupt zu besprechen. Die Regierung verbot ihn kurzer Hand, 
freilich ohne dadurch die Bewegung unterdrücken zu können. So 
leicht geben die zu Wahrung ihrer eigensten Interessen aufgerüt- 
telten Bauern diese nicht Preis. Ob die Bewegung trotzdem all- 
gemach wieder im Sande verlaufen oder aber welchen Einfluß auf 
die Gestaltung der österreichischen Dinge sie möglicher Weise noch 
ausüben wird, ließ sich am Schlusse des Jahres noch nicht voraus- 
sehen und beurtheilen. 
So hielten die verbündeten Parteien der Majorität des Reichs= 2ie 
tags fest zusammen, übten durch ein gemeinsames Executivcomike Herr- 
eine stramme Disciplin unter ihren Mitgliedern aus, beherrschtenshater 
so den Reichsrath, verfetztten die deutsch-liberale voriillungsinne im 
Partei, obgleich sie ihnen nur um wenige Stimmen nachstand, *- 
eine macht= und einflußlose Minorität und zwangen die Hegtermng. 
sich ihren Forderungen zu fügen, da sie ihr jeden Augenblick drohten, 
sie im Stiche zu lassen und dadurch zum Rücktritt zu nöthigen. Da- 
mit erreichten sie freilich nicht alles, was sie wünschten, aber doch 
jedesmal etwas, und konnten die gegründete Hoffnung nähren, wenn 
sie aushielten und Geduld hätten, das nächste Mal mehr und zuletzt 
Alles zu erhalten. Einige Geduld mußten die drei Fractionen der 
Rechten freilich auch schon darum haben, weil sie im Grunde unter 
einander keineswegs einig waren und die Einigkeit nur von Fall zu 
Fall durch gegenseitige Concessionen, die sich als wahre Tauschge- 
schäfte darstellten, erzielt werden konnte. Den Polen, den Slovenen, 
den Clericalen waren die Schrullen der Czechen von ihrem König- 
reich Böhmen und seinen Fundamentalartikeln sehr gleichgiltig, ebenso 
hatten die Czechen, die Slovenen, die Clericalen an sich gar kein 
Interesse, den Polen zu helfen, sich der Grundsteuer auch weiterhin 
in einem sehr hohen Betrage und zwar zum Nachtheil des Gesammt-
	        
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