Full text: Europäischer Geschichtskalender. Einundzwanzigster Jahrgang. 1880. (21)

Uebersicht der politischen Enlwichlung drs Jahrrs 1880. 583 
wesens ebenso umfassend als energisch in die Hand und hat sie 
wenigstens in den Grundzügen bis Ende 1880 auch wirklich durch- 
gesetzt. Es war aber um so schwieriger, als sie auf der einen Seite 
dem Staat und den Gemeinden große Opfer zumuthete und auf 
der anderen nur gegen den äußersten Widerstand der Kirche, die 
auf dieses Gebiet bekanntlich principiell Anspruch macht und sich 
überdieß im Besitz desselben befand, erzielt werden konnte. 
Zuerst wurde, noch im Jahre 1879, der oberste Unterrichts- 
rath, in dessen Hand das gesammte Staatsprüfungswesen liegt, reor- 
ganisirt und die kirchlichen Elemente, die während der letzten Re- 
actionsperiode in denselben eingeführt worden, wieder ausgeschieden, 
so daß nur mehr rein weltliche Fachmänner denselben bilden. Da- 
durch wurde den neuen sog. katholischen Universitäten ein schwerer, 
wahrscheinlich tödtlicher Schlag versetzt. Diese Universitäten sind 
in ihren Lehrkräften nur unvollständig besetzt und huldigen in ihrem 
Lehrplan, päpstlichen Forderungen und Anordnungen folgend, theil- 
weise mehr mittelalterlichen als modernen Anschauungen. Ihre 
Zöglinge werden daher die Prüfungen nur selten zu bestehen im 
Stande sein, wenn von ihnen dasselbe gefordert wird, wie von den 
Zöglingen der Staatsuniversität. Sie aber auf die Höhe der Zeit 
zu heben, entspricht ihrem Zwecke nicht und würde überdieß Geld- 
mittel in Anspruch nehmen, die privatim kaum aufgebracht werden 
Der 
oberste 
Unter- 
richls- 
rath. 
können. Dann ging es an das Schulwesen für Mädchen, nament-Höbere 
lich das höhere, das bisher ganz der Kirche überlassen worden war. Whhier- 
Ebendarum konnten in dieser Richtung auch nur vorbereitende Schritte 
geschehen und wurde die Kirche vorerst in ihrem Besitzstande nur be- 
droht, nicht geschädigt: sie hatte also keine Gelegenheit zum Wider- 
stande. Anders war es dagegen bezüglich der Mittelschulen für die 
männliche Jugend. Auch diese waren zu einem guten Theil, wenn 
auch nicht ausschließlich, in den Händen der Kirche und hier war 
der Staat entschlossen, entschieden vorzugehen. Schon am 30. Juni 
Die 
1879 hatte die Kammer mit 350 gegen 176 Stimmen ein Gesetz Mittel- 
genehmigt, nach welchem solche Mittelschulen, Gymnasien, Lyceen 2c., 
im ganzen Lande als Staatsanstalten errichtet, ähnliche Schulen 
unter geistlicher Leitung nur mehr mit der Einschränkung geduldet 
werden sollten, daß Mitglieder staatlich nicht anerkannter Congre- 
gationen dieselben weder leiten noch an denselben Unterricht er- 
theilen dürften, eine Bestimmung, die in erster Linie gegen die 
Jesuiten ging, welche in den letzten Jahrzehnten gegen das Gesetz 
ulen.