Full text: Europäischer Geschichtskalender. Einundzwanzigster Jahrgang. 1880. (21)

Nebersicht der polilischen Enkwichlung des Jahres 1880. 589 
Extremsten der Extremen Frankreichs, mit den Nocheforts, Blanquis 
u. dgl. und zeigen schon dadurch, weß Geistes Kinder sie sind. Auf 
die inneren Zustände sind sie ohne Einfluß, durch die sog. Irredenta 
aber zwingen sie Oesterreich fortwährend auf seiner Huth zu sein 
und verhindern ein aufrichtig freundschaftliche Verhältniß zwischen 
Oesterreich und Italien. Nicht durch ihre Schuld, sondern aus an- 
deren Gründen bietet Italien und das italienische Parlament ein 
sehr unerfreuliches Bild. Cairoli, ein ehrenhafter und gemäßigter 
Character, hielt sich mit Depretis das ganze Jahr 1880 hindurch 
am Ruder, aber seine Stellung war fortwährend eine unsichere. 
Ungefähr zwei Drittheile der Kammer gehören den verschiedenen 
Schattirungen der Linken an, ungefähr ein Drittheil der Rechten. 
Die Linke ist aber unter sich nicht einig und spaltet sich wieder in 
die ministerielle Linke, auf die sich Cairoli verlassen kann, und in 
die sogenannten Dissidenten, die unter Crispi und Nicotera nicht 
Fractionen, sondern geradezu Factionen genannt werden müssen. 
Die ministerielle Linke zählte 1880 218, die Dissidenten 126, die 
Rechte 164 Stimmen. Die beiden letzteren waren daher zusammen 
jeden Augenblick in der Lage, das Ministerium zu stürzen. Crispi 
und Nicotera drohten auch Cairoli fortwährend damit, aber nicht 
um wirklich mit der Rechten zu gehen, sondern lediglich um sich 
selbst den Weg in die Regierung zu bahnen. Trotzdem beschäftigle 
sich das Ministerium Cairoli mit mehreren großen Maßregeln und 
legte sie nach und nach dem Parlament vor, nämlich, außer der 
Abschaffung der verhaßten Mahlsteuer, die Beseitigung des Zwangs- 
curses, eine namhafte Ausdehnung des Wahlrechtes zur zweiten 
Kammer und ein kirchenpolitisches Gefetz, das materiell ziemlich tief 
greifen würde, wenn es angenommen wird. Bis Ende des Jahres 
kam jedoch keine dieser Maßregeln zur Erledigung. 
Auch in Spanien besteht und zwar hier in Folge der Miß- 
wirthschaft der Königinnen Christine und Isabella, eine ansehnliche 
republikanische Partei, namentlich im Süden, die sich mit derjenigen 
Italiens nicht auf denselben Fuß stellen läßt. Angenblicklich ist sie 
aber vollständig machtlos und überließ im Jahre 1880 den Kampf 
gegen das Ministerium Canovas der sog. dynastischen Opposition 
der Sagasta, Martinez Campos 2c. Das Ministerium gebot jedoch 
über eine geradezu überwältigende Mehrheit in beiden Kammern, 
gegen die die Opposition nicht aufkommen konnte. Canovas hielt 
wenigstens die Ordnung aufrecht und wußte Ausschreitungen von 
Spa- 
nien.