Das deutsche Reich und seine einzeinen Glieder. (Febr. 11.—12.) 63
deutschen Socialdemocratie mit den Umslurzparkeien des Auslandes entbehren
die in der Parteipresse hervortretenden Sympathiebezeugungen und die Ver-
kündigung der Gemeinsamkeit der Endziele nicht des ernsten thalsächlichen
Lintergrundes, da vertrauliche persönliche Beziehungen namhafter deutscher
orialdemocraten mit den Hauptleitern der internationalen Umsturzbestre=
bungen statlfinden und zu enger Annäherung geführt haben. Der Auf-
schwung, welchen die communistische Agitation neuerdings in Frankreich ge-
wonnen hat und welcher in den Kundgebungen des im October 1879 in
Marseille abgehaltenen internationalen socialislischen Arbeitercongresses deut-
lich erkennbar wurde, wird von der deutschen Socialdemocratie mit gespannter
Aufmerksamkeit verfolgt und trägt zur Stärkung der gemeinsam empfundenen
und genährten Hoffnungen wesentlich bei. Es ist offenbar, daß dem So-
cialistengesetz gegenüber die Anfrechterhaltung der Organisation den Social=
democraten vielfache Schwierigleiten. bietet. daß sie denselben Opfer und
Mühen mancher Art auferlegt und daß die Bereitwilligkeit zur Uebernahme
der letzteren wesentlich bedingt wird durch das Maß der Hoffnung auf ein
baldiges Aufhören derselben. Auch wenn es nicht wiederholt offen ausge-
sprochen wäre, müßte es als zweifellos erscheinen, daß die für die Geltungs-
dauer des Socialistengesehes bestimmte kurze Frist jener Hoffuung wesentlich
Nahrung gibt Jedenfalls wird sie von den Führern der Socialdemorratie
mit Geschick als Handhabe benutzt, um ihre Anhänger zum Ausharren zu
ermuthigen. Es wird die Meinung verbreitet, daß es nur noch kurze Zeit
darauf ankomme, unter schwierigen Verhältnissen mit Rührigkeit und Auf-
opferung zusammenzuhalten — bald werde dem durch das Gesetz vorüber-
gehend unterdrückten, zügellosen Treiben von Neuem Naum gegeben sein
und dann dem Ziele mit neuer Kraft und sicherer Aussicht auf baldigen
Erfolg zugesteuert werden. Lassen die oben dargelegten Verhältnisse schon
eett mit Bestimmtheit erkennen, daß eine erhebliche Verlängerung der durch
§* 30 des Sorialislengesetzes normirten Frist unerläßlich ist, so enthallen die
guiett hervorgehobenen Umstände die unabweisbare Anfforderung, diese Ver-
längerung ungesäumt eintreten zu lassen. Es ist bei Berathung des Gesetzes
mit Recht betont worden, daß es vor Allem darauf ankomme, durch dasfelbe
der Staatsgewalt eine scharfe Waffe zu geben, da nur mit Hilfe einer sol-
chen ein sicherer Erfolg zu erreichen sei. In diesem Sinne ist es dringend
geboten, daß durch eine schleunige angemessene Verlängerung der in Rede
stehenden Frist denjenigen bestrehungen der Boden entgogen werde, welche
die Hoffnung auf eine baldige Befeitigung des Gesetzes wach erhalten und
damit dem Fortbestande der sorialdemocratischen Organisation eine wesent-
liche Stütze verleihen; diese Verlängerung wird mit Aussicht auf wirksamen
Erfolg kürzer als auf die vorgeschlagene Frist von fünf Jahren nicht be-
messen werden dürfen.“
11. Februar. (Preußen.) Abg.-Haus: genehmigt den An-
kauf der Main-Weser-Bahn hessischen Antheils nach der Vorlage
der Regierung.
Februar. (Deutsches Reich.) Eröffnung des Reichs-
tags. Thronrede des Kaisers, welche der Stellvertreter des Reichs-
kanzlers, Graf Stolberg, verliest:
„Geehrte Herren! Se. Maj. der Kaiser und König haben mir den
Muftrag- zu ertheilen geruht, die Sitzungen des Reichstags zu eröff nen. Der
Entwurf des Reichshaushalts-Etats wird Ihnen unverweilt vorgelegt
werden. Er ist unter Berücksichtigung der finanziellen Erträgnisse aufgestellt,