Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 31.) 81
durch die Stimmen der Konservativen, der Ultramontanen, der Polen
und einiger Freikonservativen zu unveränderter Annahme. Die Re-
gierung sucht ihre Vorlage nur schwach zu retten und erklärt sich
entschieden weder für noch gegen das Kompromiß.
Bei der Abstimmung ersucht Minister v. Goßler um die Annahme
des Art. 1 der Regierungsvorlage und derselbe wird mit einem Zusatz v. Rauch-
haupt; der die diskretionären Gewalten auf die Zeit bis zum
April 1883 beschränkt, angenommen. Dafür stimmen Zentrum,
Polen, Konservative und einige Freikonservative. Bei der Beratung über
Art. 2 der Vorlage („Bischofsparagraph") nimmt Kultusminister v. Goßler
wiederholt für die Regierungsvorlage gegen den Antrag von Rauchhaupt
das Wort. Der Artikel wird jedoch in namentlicher Abstimmung in der
Fassung des Rauchhaupt'schen Antrags mit 212 gegen 169 Stimmen an-
genommen. Auch Art. 3 (Beseitigung des Kulturexamens) wird nach dem
Antrage v. Rauchhaupt in namentlicher Abstimmung mit 228 gegen 142
Stimmen angenommen. Der Kultusminister hatte den Rauchhaupt'schen
Antrag als nicht annehmbar bezeichnet, weil er den Nachweis der Aus-
bildung der Geistlichen auf den Staatsanstalten beseitige. Auch der von
Rauchhaupt beantragte Art. 3a (Aufhebung des Instituts der Staatspfarrer)
wird genehmigt. Art. 4 (Einspruchsrecht der Regierung) wird gegen die
Stimmen der Freikonservativen, Nationalliberalen, Sessionisten, Fort-
schrittler und der Minister Bitter und v. Puttkamer, Art. 5 gegen die
Stimmen der beiden Minister v. Puttkamer und Bitter abgelehnt.
Die Ultramontanen erblicken in der Annahme des Kompromisses einen
ganz gewaltigen resp. geradezu entscheidenden Sieg ihrer Sache. Die Koa-
lition zwischen den Konservativen und dem Zentrum ist durch den ganzen
Vorgang jedenfalls noch fester gekittet worden als bisher. Die Zustimmung
der Regierung zu dem Gesetze wird für wahrscheinlich, wenn auch nicht für
ganz sicher gehalten.
Herrenhaus: erledigt den Etat, wobei es dem vom Abg.-Hause
beschlossenen Steuererlaß auch seinerseits beitritt.
In der Generaldebatte erklären sich indeß fast alle Redner gegen
den Steuererlaß und verzichten nur aus Opportunitätsgründen auf seine
Bekämpfung. Graf zur Lippe (konserv.) kündigt der Regierung geradezu
an, daß, wenn das Haus nochmals in eine Zwangslage gebracht würde, es
zur Ablehnung des ganzen Etats kommen könnte, um den Steuererlaß zu ver-
meiden.
31. März. (Deutsches Reich.) Das mit diesem Tage für
das Reich zu Ende gehende Etatsjahr 1881/ 82 zeigt eine sehr be-
friedigende Steigerung der Reichseinnahmen:
An Zöllen und gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern, einschließlich der
kreditierten Beträge, sind im Reiche für die Zeit vom 1. April 1881 bis zum
Schlusse des Monats März 1882, verglichen mit der Einnahme in demselben
Zeitraum des Vorjahres zur Anschreibung gelangt: Zölle 195.688.647Mark
(+ 13.649.012 Mark ), Tabaksteuer 11.339.390 Mark (+ 4.296.576 Mark) , Rüben-
zuckersteuer 75.510.87 Mark (+ 26.903.723 Mark, Salzsteuer 37.316.210 Mark
(+ 218.222 Mark), Branntweinsteuer 43.169.573 Mark (+ 269.165 Mark), Über-
gangsabgaben von Branntwein 118.200 Mark (— 2.740 Mark), Brausteuer
16.996.798 Mark (— 406 Mark), Übergangsabgaben von Bier 1.263.356 Mark.
( + 152.966 Mark); Summe 381.402.381 Mark (+ 45.486.518 Mark), Spiel-
Schulthess, Europ. Geschichtskalender. XXIII. Bb. 6