112 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 12—15.)
Schablone auf Jeden augewendet werden, die aber nicht immer passen und
sehr häufig drücken. Eine gerechte gleichmäßige, Verteilung der Steuern,
so wie die indirekten Steuern sich von selbst verteilen, wenn sie eine Zeit
lang bestanden haben, und sich wassergleich in das richtige Niveau setzen, ist
bei der Kopfsteuer gar nicht möglich, kein Steuerrat kann die Verhältnisse
der Reklamanten mit Richtigkeit beurteilen; schon das spricht dagegen. —
Ein noch viel stärkerer Grund aber dagegen ist die Notwendigkeit der Exe-
kution der Steuer, wenn sie nicht bezahlt wird. die Notwendigkeit, die Tat-
sache, daß mitunter für einen rückständigen Betrag von 50 M. Mobiliar-
werte von 20 bis 30 Mark abgepfändet werden, und daß der Steuerpflichtige
bei der Unmöglichkeit, diese abgepfändeten Sachen im Wege der xEekution
zu dem vollen Werte zu „verkaufen, den sie für ihn haben, um den Staat,
den reichen Staat, den Fiskus, um 50 M. zu bereichern, seinerseits um 15
oder 20 Mark geschädigt, in seiner bürgerlichen Existenz fur eine Zeitlang er-
schüttert wird. (Der Reichskanzler teilt die erschreckenden Ziffern der teils
vollszogenen teils fruchtlos versuchten Pfändungen für die drei untersten
Klassen der Klassensteuer in Preußen in den letzten Jahren einläßlich mit.)
Das Bedürfnis des Königs von Preußen, Abhilfe zu schaffen, beschränkt
sich jedoch nicht auf die Klassensteuer allein, es ist außerdem allgemein be-
kannt, daß unsere Gemeinden zum Teil trotz aller Klassensteuerexekutionen,
die ich vorhin vortrug, doch in einer großen Notlage in Bezug auf ihre
Finanzen sind, und daß die Regierung sehr geneigt ist, ihnen zu helfen.
Sie kann dies aber nur, wenn ihr Mittel dazu bewilligt werden. Ich
habe hier eine Angabe über Gemeindebesteuerungen mitgebracht, die — es
war dies in gewissen Gemeinden in der Rheinprovinz — Berechnung der
Steuerbelastung eines für 1881 /82 zur zweiten Klassenstufensteuer Veranlagten
Grund- und Gebäudesteuer nicht entrichtenden Zensiten in verschiedenen rheini-
schen Gemeinden. Danach zahlt in der Stadt Witten jemand, der 6 Mark
Klassensteuer entrichtet, 350 Prozent Zuschlag als Kommunalsteuer, worin
die Schullast mit enthalten ist, da dieselbe auf den Kommunaletat über-
nommen ist — macht 21 Mark, 50 Prozent evangelische Kirchenauflage —
macht 3 Mark, zusammen wird aus den 6 Mark, die der Staat verlangt, 30 Mark.
In der Stadt Wattenscheid stellt sich dieselbe Rechnung von 6 Mark durch den-
selben Zuschlag von Kommunalsteuer und evangelischer Schulsteuer auf
39 Mark 20 M.; in der Stadt Hattingen von 6 Mark auf 34,08 Mark, in der Ge-
meinde Königsteele von 6 Mark auf 42,60 Mark, in anderen wieder auf 39 Mark etc.
Also Sie sehen, daß das eine sehr starke Belastung unserer Gemeinden ist,
und es ist zu vermuten, daß bei diesen Kommunalsteuern im ganzen nicht
weniger Exekutionen stattfinden werden, als bei den Staatssteuern, daß auch
dort die Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen künstlich genährt
wird, namentlich in der Art, wie die Zuschläge zum Teil aufgebracht wer-
den zur Häusersteuer, wobei die Schulden, die auf dem Hause lasten, vom
Steuerobjekt nicht abgezogen werden. Rheinische und auch hannöversche Ge-
meinden sind, wie aus den öffentlichen Blättern bekannt ist, bei der Re-
gierung eingekommen, man möchte ihnen gesondert gestalten, daß sie in-
direkte Steuern erheben. Sie sind also ihrerseits auch vollständig zu der
Übergzeugung gelangt, die die Staatsregierung leitet, daß indirekte Steuern
leichter zu tragen und leichter aufzubringen sind, als die direkten. Aber
weit entfernt, für die Gesamtheit ihrer Mitbürger diese Erleichterung zu er-
streben, und durch ihre Abgeordneten die Regierung in dieser Richtung zu unter-
stützen, verlangen sie für sich das Privilegium, nur auf ihrem engeren Be-
zirk die Wohltat der indirekten Steuer einzuführen, und bei ihnen das
Leiden der direkten abzustellen, es dann aber der misera contribuens plebs
auf dem platten Lande zu überlassen, sich weiter zu helfen, wie sie kann