130 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 12— 15.)
des Einkommens der verschiedenen Kreise der Bevölkerung. Bei dieser
Steuer hat man immer die unteren Klassen freigelassen. Die Freilassung
unterliegt einer Grenze, die geschwankt hat; es sind zum Teil 150, zum
Teil 100 Pfund gewesen. Seit einigen Jahren ist die Grenze wieder bis
auf 150 Pfund erhöht. 150 oder 100 Pfund sind 3.000 resp. 2.000 Mark.
Wenn man aber die englischen Preisverhältnisse mit den unsrigen vergleicht,
kann man sagen, es sind 2.000 resp. 3.000 Mark in England nach unseren Be-
griffen etwa gleichzustellen mit 1.000 resp. 1.500 Mark. Und wenn bei uns
die vier untersten Stufen der Klassensteuer freigelassen werden, so sind wir
im wesentlichen auch hinsichtlich der unteren Grenze, 1.200 Mark , wie hin-
sichtlich der Einschätzung auf ziemlich gleicher Grundlage mit der englischen
income-tax. die noch kein englischer Finanzminister seit der Zeit von 1845
für entbehrlich gehalten hat, und die, wie gesagt, in England die ungeheure
Summe von 220 Millionen, in dem letzten im Gothaischen Almanach von
mir angesehenen Etat von 1881, einbringt. Beiläufig bemerkt, 220 Mil-
lionen auf den Kopf der englischen Bevölkerung von 31 Millionen berechnet,
das sind rund 7 Mark pro Kopf. Wenn man da auch annimmt, daß der
Geldwert in England ungefähr die Hälfte nur des Wertes ist wie bei uns,
so würde auch die Ziffer von 7 Mark pro Kopf demjenigen etwa entsprechen,
was wir in Preußen pro Kopf an Einkommen-, Klassen- und Gewerbesteuer
mit 3 1/3 Mark zahlen; also auch pro Kopf der Bevölkerung gerechnet gar keine
übermäßige Heranziehung — im Verhältnis zu England — in unseren di-
rekten Personalsteuern. Wenn in der Tat die Sachen so stehen, dann will
ich vor allen Dingen den Wunsch aussprechen, es möge der Herr Reichs-
kanzler durch seine Behörden in Preußen die Reform der Klassen- und Ein-
kommensteuer in sich wieder in die Hand nehmen lassen, und nachdem diese
Vorarbeit beendigt ist, mit dem Landtage auf Grundlage des Verwendungs-
gesetzes vom 16. Juli 1880 weiter in Unterhandlung treten, damit stück-
weise weiter gearbeitet wird, zunächst mit Beseitigung der größten Notstände
und dann fortgehend zu mittleren und geringeren Bedürfnissen! Auf diesem
Wege glaube ich allerdings, daß schließlich etwas erhebliches zu erreichen ist.
Sollte sich demnächst nach gründlicher Erörterung der Steuerverhältnisse und
Bedürfnisfragen in der Tat herausstellen, daß die verfügbaren Gelder in
Preußen für als notwendig anerkannte Reformen nicht reichen, daß Reichs-
mittel dafür absolut nötig sind, dann steht man allerdings vor der Frage
in einer ganz anderen Lage, mit einem ganz anderen Material ob man
dazu neue Reichsmittel heranziehen will. Aber jetzt, wo man z. B. nach
den Zahlen des Herrn Reichskanzlers aufblühende industrielle Städte in
Westfalen und am Rhein, welche 300 bis 400 Prozent Zuschlag bezahlen
müssen zur Klassen- und Einkommensteuer, glaubte dadurch erleichtern zu
sollen und dadurch allein erleichtern zu können, daß man aus dem ganzen
Reiche die indirekten Steuerquellen stärker heranzieht und große Überschüsse,
die aus dem ganzen Reich fließen, dazu benutzt, damit so umfassende Ver-
wendungszwecke in Preußen definitiv erfüllt werden können, die auch diesen
Städten vollständig helfen; — da sage ich, das ist nicht zu verlangen, nicht
einmal von den übrigen Landesteilen in Preußen, geschweige von den übri-
gen Ländern in Deutschland. Wenn die Umgestaltung und die Reform, die
wir, wie ich hoffe, in den nächsten Jahren in Preußen einführen können bei
den direkten Steuern und den Kommunalsteuern, auch die Überweisung eines
Teils der Grund- und Gebäudesteuer — die ich keineswegs für aufgegeben
halte, im Gegenteil, für die ich mich interessiere, daß sie einmal ausgeführt
werde —, wenn sie in erheblichem Maße möglich sein werden durch die
Mittel, die in normalen Zeiten reichlicher fließen werden aus den uns jetzt
zu Gebot stehenden neuen Bewilligungen im Reich von 1879 und 1880, so