Allgemeine Chronik. XIX
15. Mai. [England.] Gladstone legt dem Parlament die von ihm angekün-
digte Bill betr. teilweisen Nachlaß der Pachtzinsrückstände in Ir-
land vor.
16. „ (England.] Der verabschiedete Minister für Irland, Forster, ent-
hüllt dem Parlament den Ursprung des sog. Pakts von Kilmainham
und die Motive der so plötzlichen Wendung in der Politik Giad-
stone's gegenüber Irland. Gladstone erleidet dadurch unzweifelhaft
eine schwere moralische Niederlage.
17. „ [Österreich-Ungarn: Österreich.) Die Regierung Taaffe geht
gegen die oppositionelle deutsche und liberale Presse mit Konfiskatio-
nen rücksichtslos vor; sogar die Konfiskation wahrheitsgetreuer Par-
lamentsberichte scheitert nur am Widerspruch des obersten Gerichtshofs.
18 . „ [Deutsches Reich: Bayern.] Die Regierung jährt fort, der ultram.
Partei die ihr auf dem Landtage in Aussicht gestellten resp. verspro-
chenen, aber allerdings geringfügigen Konzessionen zu machen.
19. [Österreich-Ungarn: Ungarn.] Das Verschwinden eines angeb-
lich von den Juden und zwar zu rituellen Zwecken ermordeten
Christenmädchens führt zu einer Untersuchung und zu einer heftigen
Bewegung für und wider die angebliche Tatsache.
20. „ [Spanien.] Die Cortes genehmigen die von der Regierung einge-
leitete Konvertierung der konsolidierten Staatsschuld, wodurch ein
wichtiger Schritt zu allmählicher Konsolidierung der spanischen Fi-
nanzen getan wird.
21—24. ,, [Deutschland — Schweiz — Italien.] Feierliche Eröffnung der
Gotthardbahn.
22. „ [Österreich-Ungarn: Osterreich.] Das Herrenhaus genehmigt auch
seinerseits den neuen Zolltarif und zwar gegen den Beschluß des
Abg.-Hauses nach der Forderung Ungarns und der Regierung un-
verändert nach der ursprünglichen Vorlage beider Regierungen. Das
Abg.-Haus muß nachgeben.
24. „ [Österreich-Ungarn: Die okkupierten Provinzen.] Die Heranziehung
Bosniens und der Herzegowina auch zum Militärdienste wird von
der Regierung nunmehr durchgeführt, freilich nur in sehr bescheide-
nem Maße.
„ „ [Belgien.] Bei den Provinzialratswahlen gewinnen die Liberalen
etwas weiteren Boden, jedoch nicht allzuviel.
25. „ [Italien — päpstliche Kurie.] Zwischen beiden bricht ein Konflikt
aus über die Kompetenz des Papstes innerhalb des Vatikans nach
den Bestimmungen des sog. Garantiegesetzes.
26. „ Österreich- Ungarn: Österreich.] Nachdem sich die Regierung
Taaffe durch die wiederholten Pärsschiebe auch im Herrenhause die
Majorität gesichert hat, gerät die deutsch-liberale Partei zum ersten
Mal auch bei der Wahl der österr. Delegation in die Minderheit:
Schmerling und Herbst werden beseitigt.
29. „ [Frankreich und England — Ägypten.] Die Westmächte verlangen
als Ultimatum vom Khedive die Entfernung Arabis und seiner Ge-
nossen, die Regierung fordert dagegen die Zurückziehung der Demon-
strationsflotte. Der Khedive will nachgeben und nimmt das Ent-
lassungsbegehren Arabis und der Regierung an, um sich Arabis zu
entledigen. Allein er bringt kein neues Kabinet zusammen und sieht
sich schließlich genötigt, Arabi wieder einzusetzen, der nunmehr voll-
ständig Herr der Lage ist. Arabi läßt den Hafen von Alexandrien
gegen mögliche Unternehmungen der westmächtlichen Flotte befestigen.
II *