Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 11—12.) 163
geschlossen. Die Detailbestimmungen sind der Art, daß sie mit der Zeit zur
Folge haben können — man darf vielleicht sagen, werden — daß das ge-
samte Kanzlei- und Schreiberpersonal bei allen Behörden des Staats aus
Militäranwärtern besteht. Es ist sichtlich das Bestreben der Regierungen,
möglichst viele Stellen im Staatsdienste mit vormaligen Militärpersonen zu
besetzen, teils um die Unteroffiziere durch Aussicht auf Zivilversorgung länger
bei der Fahne zu halten, teils um den Militärpensionsetat zu entlasten.
Aber die Aussichten der Zivilpersonen auf Verwendung im niederen Staats-
dienste oder zu instabiler, vorübergehender Beschäftigung nehmen immer mehr
und mehr ab und dürften, wenn die Grundsätze der Bekanntmachung streng
durchgeführt sind, über kurz oder lang so gut wie ganz schwinden. — Die
Verordnung des Bundesrats tritt mit dem 1. Oktober in Kraft.
11—14. September. (Deutsches Reich.) Generalversamm-
lung der Katholiken Deutschlands in Frankfurt a. M.. Der Papst
sendet ihr seinen Segen und sie beschließt, demselben ihre Konsti-
tuierung durch Telegramm anzuzeigen. Dagegen hat sich von den
72 Erzbischöfen, Bischöfen und Abten, an welche Einladungsschreiben
ergangen waren, keiner eingefunden. Überhaupt ist der Besuch der
Versammlung im Verhältnis zu den letzten Jahren ein erheblich
geringerer. Es werden eine Reihe von Resolutionen über verschie-
dene katholische Interessen gefaßt, schließlich auf den Antrag Windt-
horst's auch folgende bez. der weltlichen Herrschaft des Papstes und
gegen das sog, italienische Garantiegesetz:
„Unter dem frischen Eindruck, der sowohl gegen die sterblichen Über-
reste des verstorbenen Papstes Pius IX, als auch gegen die geheiligte Person
des jetzt regierenden Oberhauptes der Kirche, unseren hl. Vater, Leo XIII.,
im vorigen Jahre in Nom begangenen Frevel hat die vorigen Jahres zu
Bonn abgehaltene 28. General-Versammlung der deutschen Katholiken ihrer
Überzeugung Ausdruck gegeben, daß die jetzigen Zustände in Rom ebenso
unhaltbar als ungenügend sind, um sowohl den Vater der Christenheit vor
Insulten und Gewalttaten, als auch die Freiheit und Einheit seiner Re-
gierung in der notdürftigsten Weise zu schützen. Die Erwartung, welche
sie an dieses Zeugnis geknüpft hat, ist zu unserem gerechtesten als tiefsten
Bedauern bis heute nicht in Erfüllung gegangen; dagegen haben neue Vor-
kommnisse den Beweis verstärkt, daß die Unabhängigkeit des erhabenen Stell-
vertreters Jesu Christi in der Regierung der Kirche Gottes und die Heiligkeit
und Unverletzlichkeit seiner souveränen Person, welche die Katholiken des
Erdkreises zu verlangen berechtigt und verpflichtet sind, durch die angeblichen
Garantie-Gesetze in keiner Weise und nicht einmal gegen Urteilssprüche könig-
licher Gerichtshöfe sicher sind. In dieser Erkenntnis gibt die 29. General-
versammlung der deutschen Katholiken Deutschlands mit erhöhtem Nachdruck
der von der 28. Generalversammlung ausgesprochenen Erwartung erneuten
Ausdruck, daß die christlichen Mächte nicht länger die Vergewaltigung ihrer
katholischen Unterthanen und ihres geistlichen Hauptes und einen Zustand
der Dinge im Mittelpunkt der Christenheit dulden werden, dessen Fortdauer
nicht nur die Kirche, sondern auch die Staaten durch die dort eingedrungene
Zucht- und Rechtlosigkeit je länger je mehr auf's ernsteste bedroht."
12. September. (Deutsches Reich.) Der protest. Gustav-
Adolf-Verein begeht in Leipzig seine 50jährige Jubelfeier.
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