166 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 17—18.)
deutscher Industrieller in Nürnberg. Dieselbe beschließt bez. des
Unfall- und Krankenkassen-Gesetzentwurfs einstimmig folgende Re-
solutionen:
„l. Die Delegierten des Zentralverbandes deutscher Industrieller — die
Vertreter des bedeutendsten Teiles der deutschen Industrie — wissen sich und
ihre Auftraggeber eins mit der in der Allerhöchsten Botschaft Sr. Maj. des
Kaisers und Königs vom 17. November 1881 ausgesprochenen Überzeugung,
„daß die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der
Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmäßig auf dem
der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein werde.“
II. Der Zentralverband hat wiederholt erklärt, die von Sr. Durchlaucht
dem Fürsten Reichskanzler aus dieser Überzeugung vorgeschlagenen Maß-
regeln unterstützen und fördern zu wollen. Die Delegierten geben nunmehr
ihrem dringenden Wunsche Ausdruck, daß insbesondere die Kranken- und
Unfallversicherung der Arbeiter, als Maßregel zur Besserung der Lage der
Arbeiter, bald in Wirksamkeit treten möchte. Mit den Schwierigkeiten
der vorliegenden Projekte vertraut, für deren Durchführung Lasten zu über-
nehmen die Industrie bereit ist, halten sich die Delegierten, mit Rücksicht auf
ihre Erfahrung im praktischen Leben und ihre Kenntnis der
konkreten Verhältnisse, für verpflichtet und berufen, dahin zu
wirken, daß diese Gesetzentwürfe mit den Bedingungen und Er-
fordernissen des praktischen Lebens in Einklang gebracht werden.
Demgemäß erklären die Delegierten: A. Wir konstatieren mit Befriedigung
die Erfüllung unseres unter Nr. 7 der Beschlüsse vom 26. September v. J.
ausgesprochenen Wunsches, daß die Unfallversicherung nicht ohne Reorgani-
sation des Hilfskassenwesens und Errichtung solcher Kassen, wo ein Bedürfnis
vorhanden ist, eingeführt werden möge. Beide Gesetze müssen im Interesse
der Durchführbarkeit der Unfallversicherung in organischen Zusammenhang
gebracht werden. B. Der staatliche Versicherungszwang ist zur Durchführung
der Kranken- und Unfallversicherung der Arbeiter unentbehrlich. C. Die
für die Krankenversicherung vorgeschlagene Organisation ist, Abänderungen
im einzelnen natürlich vorbehalten, geeignet, den in Betracht kommenden
verschiedenartigen Verhältnissen gerecht zu werden. D. Die Delegierten er-
achten zwar auch jetzt noch, daß die Unfallversicherung am besten durch eine
Reichsanstalt, in der Art, wie früher geplant, ausgeführt würde, namentlich
nachdem durch die vorbezeichnete organische Verbindung mit der Kranken-
versicherung alle Unfälle mit vorübergehenden Folgen, d. h. ca. 90—95 Proz.,
und damit wenn auch nicht die Größe der finanziellen Last, so das Über-
maß des Verwaltungsdetails den Krankenkassen überwiesen sind; im Interesse
des Zustandekommens des Gesetzes erheben sie jedoch gegen die korporative
Organisation keinen Widerspruch. E. Die Delegierten halten, unter beson-
derer Bezugnahme auf die vorjährigen Dresdener Beschlüsse, für geboten,
daß bei Feststellung der Leistungen der Unfallversicherung die Leistungs-
fähigkeit der zu Verpflichtenden sorgfältig berücksichtigt werde, und daß hin-
sichtlich der Beiträge nicht Faktoren, die bisher zur Hilfeleistung verpflichtet
waren, auf Kosten der Anderen entlastet werden. Ausdrücklich wird die
Forderung erneuert, daß die Arbeiter auch zu den Kosten der Unfallversiche-
rung beitragen müssen, da sie bei der Verwaltung mitwirken müssen und
das Bewußtsein der Verantwortlichken für ihre Zukunft unter keinen Um-
ständen geschwächt werden darf. F. Peinlich überrascht hat der in den Ge-
setzentwürfen wahrnehmbare Zug des Mißtrauens gegen die
Arbeitgeber. Derselbe ist als ungerechtfertigt und schädlich für den
sozialen Frieden auszumerzen und Stellung und Autorität des