Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 18.) 169
der tatsächlich gezahlten Einfuhrzölle nicht zu umgehen, und sie sind um
so eher zulässig, je mehr die Vorbedingungen zur Produktion der betreffen-
den Artikel im Inlande fehlen. Derartige Begünstigungen sind jedoch stets
als Ausnahme zu betrachten, und bilden einen Grund mehr für die Auf-
hebung der Eingangszölle , deren schädliche Wirkung auf die Export- Industrie
sie ausgleichen sollen. Sie enthalten eine Begünstigung des Auslandes vor
dem Inlande, sowohl hinsichtlich der Produktion als des Konsums, sind in
ausgedehntem Umfange nur zu Gunsten des Großbetriebes und unter Ver-
zicht auf Identitätsnachweis durchführbar, und ermöglichen Willkürlichkeiten
der Zollbehörden gegenüber den einzelnen Industriellen, sowie dem nicht
streng rechtlichen Exporteur Mißbräuche, unter denen der streng rechtliche
Konkurrent ebenso zu leiden hat wie die Zollkasse. 3) Die Konkurrenzfähig-
keit der am Export interessierten Gewerbe und die Lebenserhaltung der in
denselben beschäftigten Arbeiter werden um so mehr gefordert, je mehr Roh-
stoffe, Halbfabrikate, Fabrikationsmaterialien und notwendige Lebensbedürf-
nisse von der Verteuerung durch Eingangszölle befreit bleiben."
18. September. (Preußen.) Die konservative Partei erläßt
ihren Wahlaufruf. Derselbe ist ziemlich kurz und geht auf die ein-
zelnen Fragen gar nicht ein, sondern begnügt sich mit einer kleinen
Diatribe gegen den Liberalismus, „dessen Führung jetzt der Fort-
schritt übernommen hat“. Einläßlicher spricht sich gleichzeitig der
freikonservative Wahlaufruf aus:
"...Die Ergebnisse der letzten Legislaturperiode für die Durch-
führung der Steuerreform, welche unsere Partei seit Jahren gefordert
hat, sind wenig befriedigende. Der endliche Abschluß dieses Reformwerkes
erscheint als eine der dringendsten Aufgaben der Gesetzgebung. Wir werden
mit allem Ernst danach streben, sie im Sinne der Erleichterung der ärmeren
Volksklassen und der Kommunen zu lösen. Auch die Verwaltungsreform
ist selbst für die Kreisordnungs-Provinzen nicht zum Abschluß gelangt.
Wir werden uns der erneuten Prüfung der Frage der Vereinfachung der
Organisation und des Verfahrens nicht entziehen, dabei aber unverrückt an
den Grundsätzen der Dezentralisation. Selbstverwaltung und wirksamen Rechts-
kontrolle, wie sie in der Kreisordnung niedergelegt sind, festhalten und die
Ausdehnung der endgiltig festgestellten Verwaltungsgesetze auf die gesamte
Monarchie zu fördern suchen. Die Verstaatlichung der Eisenbahnen,
durch welche dieses wichtigste Verkehrsmittel unter unserer lebhaften Unter-
stützung den öffentlichen Interessen wieder voll dienstbar gemacht ist, hat sich
als eine finanziell und wirtschafllich ersprießliche Maßregel bewährt. Wir
werden darüber wachen, daß die Verwaltung im Interesse der Förderung
des heimischen Verkehrs und der Nationalwirtschaft geführt wird. Wir
halten nach wie vor an dem Grundsatze fest, daß die Schule eine Ver-
anstaltung des Staates ist. Der konfessionelle Charakter der Volksschule ist
von uns stets betont worden. Eine Abweichung von dieser verfassungs-
mäßigen Regel erscheint nur da zulässig, wo besondere Umstände eine aus-
nahmsweise Behandlung rechtfertigen. Die Wiederherstellung des kirch-
lichen Friedens bleibt eine der wichtigsten Aufgaben der gesetzgebenden
Faktoren. Wir sind bereit, mit Wohlwollen und Gewissenhaftigkeit alle zu
diesem Ziele führenden Wege zu prüfen, halten aber an der Überzeugung
fest, daß in einer konfessionell gemischten Bevölkerung, wie der deutschen,
nur die Aufrechterhaltung starker staatlicher Rechte das friedliche Neben-
einanderwohnen der Konfessionen zu verbürgen vermag. Das Anwachsen