Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Okt. 27.) 191
Turnräumen erstreckt, in welchen unabhängig von der Jahreszeit und unbe-
hindert von den Unbilden der Witterung das Schulturnen eine ununter-
brochene und geordnete Pflege gefunden hat. Er ist dies für den Jugend-
unterricht ein überaus wertvoller Erwerb. Erst die Fortführung der tur-
nerischen Übungen durch das ganze Jahr sichert eine tüchtige körperliche Aus-
bildung. Nicht minder wertvoll aber ist der Turnplatz. Gewisse Übungen,
wie das Stabspringen, der Gerwurf, mancherlei Wettkämpfe u. a., lassen sich
in der Halle gar nicht oder nicht ohne Beschränkung und ohne Gefahr vor-
nehmen. Ein größeres Gewicht muß aber noch darauf gelegt werden, daß
das Turnen im Freien den günstigen gesundheitlichen Einfluß der Übungen
wesentlich erhöht und daß mit dem Turnplatz eine Stätte gewonnen wird,
wo sich die Jugend im Spiel ihrer Freiheit freuen kann und wo sie die-
selbe, nur gehalten durch Gesetz und Regel des Spiels, auch gebrauchen
lernt. Es ist von hoher erziehlicher Bedeutung, daß dieses Stück jugend-
lichen Lebens, die Freude früherer Geichlechter, in der Gegenwart wieder
aufblühe und der Zukunft erhallen bleibe. Ofter und in freierer Weise,
als es beim Schulturnen in geschlossenen Räumen möglich ist, muß der Ju-
gend Gelegenheit gegeben werden, Kraft und Geschicklichkeit zu betätigen
und sich des Kampfes zu freuen, der mit jedem rechten Spiel verbunden ist.
Es gibt schwerlich ein Mittel, welches wie dieses so sehr imstande ist, die
geistige Ermüdung zu beheben, Leib und Seele zu erfrischen und zu neuer
Arbeit fähig und freudig zu machen.. . Die Ansprüche an die Erwerbung
von Kenntnissen und Fertigkeiten sind für fast alle Berufsarten gewachsen,
und je beschränkter damit die Zeit, welche sonst für die Erholung verfügbar
war, geworden ist, und je mehr im Hause Sinn und Sitte und leider oft
auch die Möglichkeit schwindet, mit der Jugend zu leben und ihr Zeit und
Raum zum Spielen zu geben, umsomehr ist Antrieb und Pflicht vorhanden,
daß die Schule tue, was sonst erziehlich nicht getan wird und oft auch
nicht getan werden kann. Die Schule muß das Spiel als eine für Körper
und Geist, für Herz und Gemüt gleich heilsame Lebensäußerung der Jugend
mit dem Zuwachs an leiblicher Kraft und Gewandtheit und mit den ethischen
Wirkungen, die es in seinem Gefolge hat, in ihre Pflege nehmen, und zwar
nicht bloß gelegentlich, sondern grundsätzlich und in geordneler Weise. Von
dieser Notwendigkeit ist die Unterrichtsverwaltung schon von lange her über-
zeugt gewesen und hat auch dementsprechende Verordnungen ergehen lassen.
Leider aber haben diese Anordnungen nach den Wahrnehmungen, welche im
allgemeinen und insbesondere bei den Revisionen des Turnwesens in den
einzelnen Schulanstalten gemacht worden sind, nicht überall die dem Wert
und Nutzen der Sache entsprechende Beachtung gefunden. In einer Anzahl
älterer Unterrichts- und Erziehungs- anstalten sind die Jugendspiele traditionell
in Übung geblieben und in einigen Bezirken hat Herkommen und Sitte an
ihnen festgehalten, in andern aber fehlt es an jeder Überlieferung und nur
selten sind Anfänge zu neuer Belebung vorhanden. Jedenfalls hat eine
allgemeine Einführung und Durchführung nicht stattgefunden. Es bedarf
daher einer erneuten Anregung und einer dauerndern Bemühung aller, welche
mit der Erziehung der Jugend befaßt sind, damit, was da ist, erhalten was
verlernt ist, wieder gelernt werde und was als heilsam erkannt ist, in Übung
komme. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß es sich hier lediglich um Be-
wegungsspiele handelt und daß alles ausgeschlossen ist, was dahin nicht ge-
hört. An Hilfemitteln, sich auf diesem Gebiete orientieren, fehlt es nicht..
Bei der großen Mannigfaltigkeit des Dargebotenen wird es allerdings einer
Auswahl bedürfen, und es wird hierbei wesentlich auf dasjenige Rücksicht
zu nehmen sein, was herkömmlich und volkstümlich ist. Obenan sind die