Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Ende Okt. Nov. 4.) 195 
unter Vorbehalt jederzeitigen Widerrufes. Es geschieht dies in der Erwartung, 
daß Sie das Wohl der Ihrer Aufsicht anvertrauten Schule zu fördern, auch 
in dem Herzen der Schuljugend wie der Lehrer eine patriotische Gesinnung 
und Liebe zum Kaiserhause zu wecken und zu pflegen mit allem Eifer be- 
dacht seien und den in dieser Hinsicht bestehenden und noch zu erlassenden 
Gesetzen und Anordnungen willig Folge leisten werden. Das fragliche 
Ehrenamt ist, höherer, „Bestimmung entsprechend, unentgeltlich zu verwalten. 
Königliche Regierung.“ Die ultramontane Presse ist indeß mit dem Wort- 
laute des Aktenstücks und seiner „Erwartung“ gar nicht einverstanden. 
· — Oktober. (Elsaß-Lothringen.) Da der Versuch der 
Straßburger Tabakmanufaktur, mit der freien Privatmanufaktur 
in Konkurrenz zu treten, als definitiv gescheitert betrachtet werden 
muß, ordnet die Regierung eine Untersuchung ihrer gesamten Buch- 
und Kassaführung und eine neue Aufnahme ihres Inventars nach 
dem Stande vom 1. Oktober l. J. an. 
Anfang November. (Preußen) Die Regierung kauft aus 
dem Riesenbesitz des tief verschuldeten Herzogs v. Hamilton, über 
den seit Monaten in London öffentliche Verkäufe stattfinden, die ge- 
radezu unschätzbare Sammlung alter Handschriften, wie es heißt 
um den Preis von 1.500.000 Mark an. Die englische Presse jammert 
über den Verlust dieser in ihrer Art einzigen Schätze für England 
und macht ihrem Ärger zum Teil sehr drastisch Luft. „Deutschland 
scheint Geld für Kriege und für Kultur zu haben.“ 
3. November. (Deutsches Reich.) Bundesrat: Der Reichs- 
kanzler legt demselben den Entwurf einer Verordnung vor, durch 
welche die Einfuhr von Schweinen, Schweinefleisch, Speck und 
Würsten aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika verboten 
werden soll. 
Die Einfuhr dieser Produkte einer in Nordamerika wahrhaft groß- 
artig betriebenen Industrie ist eine sehr bedeutende und fortwährend stei- 
gende, da sie in vielen Gegenden Deutschlands bereits einen wesentlichen 
und zudem immer größeren Bestandteil der Nahrung der arbeitenden Klassen 
ausmachen. Die Maßregel ist daher eine tief einschneidende und man findet 
eben darum, daß die Motivierung, die im Grunde einzig auf die Trichinen- 
gefahr hinausläuft, eine sehr ungenügende sei, so daß die Vermutung aller- 
dings nahe liegt, es sei im Grunde mehr um einen agrarischen Schutzzoll 
als um eine sanitäre Maßregel zu tun. Die Verordnung liegt übrigens 
in der Kompetenz des Bundesrates. Allein nach § 7 des Gesetzes über den 
Verkehr mit Nahrungsmitteln ist die Verordnung dem Reichstage zur Ge- 
nehmigung vorzulegen und, soferne derselbe es verlangt, wieder aufzuheben. 
Unter Umständen könnte also die Verordnung nur ein sehr ephemeres Dasein 
haben. 
4. November. (Hessen.) Die katholische Geistlichkeit der 
Diözese Mainz richtet an den Großherzog eine Adresse, die dem 
Landesherrn die in der katholischen Kirche im Großherzogtum seit 
13*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.