Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

198 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 7-—8.) 
Reichsbeamten-Gesetzes vor, durch welchen die finanzielle Lage der 
Reichsbeamten verbessert und den preußischen gleichgestellt, zugleich 
aber auch eine frühere Pensionierung derselben ermöglicht werden 
soll. Das Gesetz verlangt eine jährliche Mehrausgabe von 
600.000 Mark. 
7. November. (Deutsches Reich.) Die in Verlin versam- 
melten Delegierten der deutschen Protestantenvereine erlassen eine 
warme Ansprache an die Protestanten Deutschlands wider die er- 
neuerten Prätensionen Roms, wider die radikalen und auflösenden 
Tendenzen einer sog. „Volkskirche“ und wider die Gleichgiltigkeit so 
vieler Liberaler bez. Religion und Kirche. Es heißt darin: 
Wir sind weit davon entfernt, den Konfessionshader schüren zu 
wollen. Nichts wäre uns erwünschter, als mit unsern katholischen Mit- 
brüdern in Frieden und gegenseitiger Anerkennung zu leben und, soweit 
immer möglich, zusammenzuwirken. Unser Kampf gilt nicht ihnen, sondern 
dem Romanismus. Rom hat den Anspruch, dem deutschen Volk in seiner 
Gesamtheit den Fuß wieder auf den Nacken zu setzen, keineswegs auf- 
gegeben, seit das deutsche Reich ganz wider sein Wünschen und Wollen ent- 
standen ist. Rom redet zwar von Freiheit, nimmt jedoch, wo ihm die Macht 
zu Gebote steht, dieselbe für sich allein in Anspruch. Es hat bis heute kein 
anderes Ziel, als unumschränkte Alleinherrschaft. Und wie den Staat, so 
bedroht es auch den Protestantismus... Zum schlimmsten aber, was uns 
im Kampfe um die Zukunft des Protestantismus  schwächt, gehört die leider 
so weit verbreitete Geringschäzung der Religion und der Wahn, daß Wissen 
und Bildung die Religion überflüssig machen. Wir tragen die Überzeugung 
in daß, wer sich von Gott lossagt, keinen erfolgreichen Kampf für 
Geistesfreiheit  führen kann, und daß Geistesknechtschaft und Aberglaube nir- 
gend besser gedeihen als da, wo man über die Religion hinaus zu sein glaubt, 
und wo keine klare, freie und warme Glaubens- überzeugung ist. Der Glaube 
an das Evangelium ist unsere beste Waffe gegen Menschensatzung und Geistes- 
knechtschaft jeder Art. Nichts hat uns in unserem Kampfe mehr gelähmt, 
als daß ein großer Teil der Liberalen mit uns nur protestieren wollte, ohne 
der positiv erbauenden Kraft des Evangeliums das Herz zu öffnen. Nichts 
hat den Anklagen unserer Gegner mehr einen Schein von Recht gegeben 
als die Tatsache, daß der deutsche Liberalismus in religiöser Beziehung 
vielfach indifferent oder negativ ist. Wir streiten vergebens für Freiheit in 
der Kirche, wenn sich die freisinnigen evangelischen Christen nicht auch mit 
dem ganzen Schwergewicht christlicher Gesinnung in der Kirche geltend 
machen. 
8. November. (Elsaß-Lothringen.) Der kais. Statthalter 
General Feldmarschall v. Manteuffel beruft die medizinische Sach- 
verständigen = Kommission (s. Mitte Okt.) von Neuem ein behufs 
eines Gutachtens über die Forderungen, welche an die Elementar- 
und höhern Töchterschulen im Gesundheitsinteresse zu stellen seien: 
Den Gesellschafsklassen, deren Kinder die Elementarschule be- 
suchen, geht meist der Sinn und die Muße ab, um dort vorhandenen Schäd- 
lichkeiten nachzuspüren. Sodann übernimmt der Staat mit dem Schul-
	        
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