Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dez. 25—26.) 247
Verbandes der landwirtschaftlichen Konsumvereine des Landes spricht
sich entschieden gegen die Organisierung von sog. Bauernvereinen aus.
Im November ds. Js. erschien in verschiedenen Zeitungen ein Aufruf
zur Gründung von Bauernvereinen mit der Unterschrift „Das provisorische
Komité“, ohne Namensangabe der leitenden Persönlichkeiten. Auf Grund
desselben gelang es auch wirklich, einzelne solcher Vereine zu gründen. In
der Delegierten-Versammlung des Verbandes der landwirtschaftlichen Kon-
sumvereine bringt nun Gutsbesitzer Wernher von Nierstein (auch Mitglied der
Ersten Kammer) die Sprache auf diese Vereine, indem er unter eingehender
Begründung eine Resolution dahin gehend beantragt: „Die Delegierten-Ver-
sammlung erklärt, daß in Hessen kein Bedürfnis vorliegt, „Bauernvereine“
zu gründen, da diese nicht geeignet erscheinen, die materiellen und geistigen
Interessen der Landwirte zu fördern, und warnt die Landwirte, solchen Ver-
einen beizutreten, in denen sie offenbar nur zu andern als wirtschaftlichen
Zwecken mißbraucht werden sollen.“ Diese Resolution wird nach Befür-
wortung durch Landesökonomierat Dr. Weidenhammer, Ministerialrat Jaup
und den Vorsitzenden Polizeirat Haas einstimmig angenommen. In der bei-
gegebenen Begründung wird erklärt, daß die neuen Vereine, deren Führer
sich in mystisches Dunkel hüllten, um auf diese Weise ihre Zwecke besser zu
erreichen, nicht landwirtschaftliche, sondern in Wahrheit kirchenpolitische Ziele
verfolgten, jedenfalls ein Bedürfnis für solche Vereine in Hessen schlechthin
nicht vorliege.
25. Dezember. (Preußen.) Im Reg.-Bezirk Wiesbaden wird
am ersten Weihnachtsfeiertage in allen evangelischen Kirchen eine
Ansprache an die Gläubigen verlesen, in der die neuesten Versuche
der katholischen Kirche bez. der Mischehen und die fortgesetzte Ten-
denz derselben, die ausschließlich katholische Kindererziehung in solchen
durch Reverse etc. moralisch zu erzwingen scharf hervorgehoben wer-
den und die Tatsache mitgeteilt wird, daß die evangelische Kirchen-
leitung Sr. Majestät dem Kaiser und König ein Kirchengesetz gegen
solche schwache Gläubige unterbreitet habe:
„Viel lieber hätten wir Worte des Friedens geredet als solche, die
zum Kampf und Widerstand aufrufen; aber die Not der Zeit drängt uns,
mit heiligem Ernst die Gemeinden auf die Gefahren aufmerksam zu machen,
die ihnen drohen.“
26. Dezember. (Preußen.) Im Herrenhause treten die
Gegensätze zwischen den agrarischen Tendenzen eines Teiles der großen
Grundbesitzer und den Prinzipien der neueren staatlichen Gesetzgebung
in schärfster Form hervor.
Mit 12 gegen 2 Stimmen hat die Agrarkommission den Gesetzentwurf
betreffend die Güterordnung für die Provinz Brandenburg im
Sinne der ursprünglichen v. Schorlemer'schen Vorschläge, welche auch im
Provinziallandtage der Provinz Brandenburg Anklang gefunden hatten, ab-
geändert und daran festgehalten, obgleich der Regierungskommissär das Gesetz
als absolut unannehmbar bezeichnet hatte. In der Kommission für die
Subhastationsordnung dominieren dagegen die Juristen, wie Graf zur
Lippe, Dr. Dernburg, v. Bernuth, Dr. Wever u. s. w., und diese kommen
zu ganz entgegengesetzten Vorschlägen. Der Bericht, den Prof. Dernburg