Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (— Dez).) 251
— Dezember. (Preußen.) Der Zudrang zu den wissen-
schaftlichen Berufsarten nimmt nachgerade in Preußen, aber nicht
nur in Preußen, bedenkliche Dimensionen an und stellt eine Kon-
kurrenz in Aussicht, die der auf dem wirtschaftlichen Gebiete nicht
nachsteht.
Die "R. A. Z." konstatiert nach oiffiziellen Daten zmächst die Über-
produktion an jungen Juristen, die den jährlichen Bedarf des Staates für
den Justizdienst, die Verwaltung, die Anwaltschaft und das Notariat weit über-
steigt. Vom 1. Okt. 1879 bis zum 15. Dez. 1882 wurden zu Gerichtsassessoren
1823 junge Juristen ernannt, von denen in demselben Zeitraum 437 im
Justizdienst, 242 in der Verwaltung und 417 in der Rechtsanwaltschaft oder
im Notariat Anstellung fanden, mehr als 700 aber noch auf Anstellung
warten, während in den beiden letzten Jahren je ca. 700 per Jahr die
Prüfungen machten, eine Zahl die von 1863 -75 nie 400 überstieg und
wiederholt unter 200 blieb. Der Bedarf beläuft sich, durchschnittlich per
Jahr für den Justizdienst auf 145, insgemein auf 362. Diese Zahl wird
sich in Zukunft eher verringern als vermehren, da vom Jahre 1883 an der
Übergang von Gerichtsassessoren zur allgemeinen Staatsverwaltung der
Hauptsache nach ausgeschlossen ist und der Übergang zur Eisenbahnverwaltung
d. h. derjenigen Verwaltung, in welche zeitweise ein sehr starker Abfluß
von Gerichtsassessoren stattgefunden hat, ein erheblich geringerer als bisher
werden wird, da der Bedarf letzterer Verwaltung wohl auf längere Zeit
gedeckt sein muß. Auch in die Anwaltschaft hat nach dem Obigen ein
Abgang der Gerichts- assessoren nicht in dem Maße stattgefunden, als bei Ein-
führung der freien Advokatur wohl erwartet worden sein mag. Aus den
Mitteilungen des Ministerialblattes gewinnt man den Eindruck, daß wohl
ein starkes Hindrängen nach einzelnen großen Städten stattgefunden hat, in
welchen zufolge dessen das Bedürfnis nach Rechtsanwälten ja auch reichlich
und mehr als reichlich gedeckt sein soll. Die Zulassung zur Rechtsanwalt-
schaft an den kleineren Orten aber scheinen verhältnis- mäßig nur Wenige zu
suchen. So besteht also im Ganzen eine bedenkliche Überproduktion an
jungen Juristen. Auf der einen Universität Berlin sind augenblicklich
1.414 Studierende bei der juristischen Fakultät eingeschrieben, d. h. mehr
als z. B. in den Jahren 1856 — 58 auf sämtlichen Universitäten Preußens
zusammengenommen, und schon der gegenwärtige Bestand von über 700
Gerichtsassessoren deckt, wenn man die oben angegebenen Zahlenverhältnisse
zu Grunde legt, ohne Zweifel den Bedarf der Staatsverwaltung auf eine
Reihe von Jahren. Für die nachrückenden Tausende von Referendarien er-
öffnen sich die allertrübsten Aussichten, und die große Masse derer, die sich
nur auf ein Durchschnittsmaß von Befähigung und Leistungen zu stützen
vermögen, geht traurigen Erfahrungen entgegen.