Die öslerrtichisch-Angarische Monarchie. (Jan. 28.) 257
ungarischen Staat anzuerkennen und die Pflichten gegen denselben zu erfüllen
(rauschende Zustimmung). Wie wenig ein Chauvinismus in Ungarn be-
stehe, beweise am besten, daß die Legislalive und die Negierung gerade zur
Zeit solcher Agitationen und grundloser Anklagen den vbligatorischen Unter-
richt in der deutschen Sprache an den Mittelichulen angeordnet habe. Von
Unterdrückung der deutschen Sprache könne da keine Nede sein. Im weiteren
Laufe der Debatte tritt Tisza der in einem Aufrufe des deulschen Schul-
vereins enthaltenen Behauptung entgegen, daß sich die Zahl der deutschen
Volksschulen jährlich vermindere, indem er erklärt, daß keine einzige dieser
Schulen gesperrt wurde; wenn die Zahl solcher Schulen aber wirklich
abnehme, so liege der Grund in der Entwicklung des nationalen
Lebens. Er krilisirt auch andere Stellen des erwähnten Aufrufes und
sagt: gegenüber solchen Auslafsungen mögen die Siebenbürger Sachsen sich
nicht wundern, wenn selbst jene, welche in gar vielen Dingen entgegengesetzter
Ansicht sind, in dem Punlte mit uns übereinstimmen, daß Ungarn den Un-
garn gehört und nur ein ungarischer Staat sein kann.“ (Lebhafte Eljen-
rufe. Händeklatschen.)
28. Jan. (Ssterreich-Ungarn.) Zusammentritt der beiden
Delegationen in Wien. Die Negierung legt deuselben eine Kredit-
forderung von 8 Mill. Gulden nebst einer erläuternden Denkschrift
vor, die bereils weitere Kreditforderungen in Aussicht stellt, da nach
Niederwerfung des Aufstandes stärkere Garnisonen in der Herzego-
wina und vielleicht auch in Süddalmatien auf längere Zeit hin, so-
wie die Errichtung einiger ausreichend befestigter Stützpunkte zur
Sicherung der Verbindungen und zur leichleren Beherrschung des
Landes nötig werden würden. Die Militärmacht in den bedrohten
Provinzen soll verdoppelt d. h. von ca. 35,000 auf ca. 75,000
M. gebracht werden, wozu auch die Neserven einberufen werden
müssen.
Die Denkschrift, mit welcher die Kreditforderung von 8 Mill. G.
motivirt wird, beweist, wie sehr sich die Regierung bez. der Lage der Dinge
in den olkupirten Provinzen bisher in Täuschungen bewegt hat. Sie gibt
zwar zu, daß für die Durchführung der Wehrpflicht in Bosnien und der
Herzegowina manche Hindernisse vorausgesehen wurden; doch sei nach dem
bisherigen Verhalten der Bevölkerung die Annahme berechtigt gewesen, dab
eine ausnahmsweise Kraftenkfaltung unnölig sei. Nach dem Berichte der
Landesregierung Anfangs Dezember 1881 war höchstens in den Bezirken von
Nevesinje, Gacko und Bilek aktiver Widerstand gegen die Rekrutirung zu ge-
wärtigen, in allen übrigen Landesteilen nicht, falls keine äußeren Einflüsse
und Agitationen hinzutreten und Versuche der Neuitenz im Keime erstickt
würden. Auch die Landwehr-Assentierung in Süddalmatien schien Ende Ok-
tober 1881 im Wesentlichen vorläufig abgeschlossen, als am 9. November
in der Crivoscie zwei NRäuberbanden aus der Herzegowina einbrachen, worauf
Naubanfälle und Gewaltthaten folgten. Die Regierung verfügte demnach
entsprechende militärische Maßnahmen. Die Regierung wollte im Laufe des
Februar die Okkupationstruppen ablösen lassen, doch sollten die abzulösenden
Truppen erst nach Abwicklung der Relrulirung zurückkehren, außerdem wurde
für den Februar eine temporäre Verlegung zweier Regimenter nach Dalma-
tien in Aussicht genommen. Nach der Entwicklung der Dinge sah sich die
Schulthess, Europ. Geschichtskalender. XXIII. Bd. 17