Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Die chterreichisch- Mugarische Monarchie. (Febr. 9—10.) 261 
jenen Lehrkanzeln zu belassen, mit welchen sie derzeit verbunden sind, wovon 
der botanische Garten und jene Kliniken ausgenommen sind, welche für die 
deutsche medizinische Fakultät nicht notwendig sind, dagegen zur Aktivirung 
der medizinischen Fakultät der böhmischen Universität benötigt werden. Die 
Beziehungen der klinischen und anatomischen Institute zu den Heilanstalten 
sind nach dem (Grundsaßze des gleichen Anspruches beider Universitäten zu 
regeln. §. 5. Die vorstehenden Bestimmungen des Gesetzes sind nach Maß- 
gabe der Aktivirung der Fakultäten der böhmischen Universikät durchguführen. 
§. 6. Der Minister für Kultus und Unterricht ist mit dem Vollzuge dieses 
Gesetzes beauftragt. 
In Wahrheit ist die Gründung einer Cechischen Universität zum 
mindesten eine sehr verfrühte Schöpfung, weil den Czechen zur Zeit aner- 
kanntermaßen noch alles wissenschaftliche Material zur Besetzung der Lehr- 
stühle fehlt. Die czechische Universität kann daher zunächst und auf lange 
hinaus nur eine Drillanstalt Zur notdürftigen Abrichtung czechischer Au- 
rislen, Mediginer 2c. werden. Das kümmert aber die Czechen gar nicht. Die 
Hauptsache für sie ist die Veseitigung der deutschen Sprache für Lehrer und 
Schüler und die ausschließliche Herrschaft der czechischen Sprache für jene 
und diese. Zwar geben sie zu, daß die Kenninis der deutschen Sprache zur 
Zeit noch in Oslerreich und ipeziell in Böhmen fast unerläßlich sei, aber sie 
wollen das dem Einzeluen überlassen und wehren sich mit Händen und 
Füßen dagegen, daß es gefordert werde. Mit der Zeit, meinen sie, wird es 
überhaupt nicht mehr nötig sein und die czechische Universität Prag die 
deutsche ganz verschlingen. Das iste auch in der That wie die Hoffnung der 
Czechen die Furcht der Deutschen. Die Zweiteilung der bestehenden Universi- 
tät, die Errichtung also einer utraquistischen Anstalt bedeutet bei den gegen- 
wärtigen Verhältnissen den Ruin des deutschen Zweiges derselben, und man 
kann mit Sicherheit aunehmen, daß es vielleicht schon in einem Jahrzehnt 
in Prag keine deutsche Universität mehr geben, sondern die Prager Carlo= 
Ferdinandea eine czechische Universität sein werde. Die Wortführer der 
Czechen machen auch gar kein Hehl daraus, daß, was sie jetzt erreicht, die 
Zweiteilung der Universität, nur als eine Abschlagszahlung zu betrachten 
sei. Die Tschechen wollen keine eigene Universität, weil sie die bestehende 
ganz für sich wollen. Deutsche Eltern werden es sich überlegen, ihre Söhne 
in Prag studiren zu lassen und auch deutsche Professoren werden einem et- 
waigen Ruf nach Prag kaum folgen wollen; die Frequenz der deutschen 
Anstalt wird zurückgehen, die Lehrkräfte werden abnehmen, und im Lauf 
der Zeit wird dann die deutsche Untversität eingehen und einer rein C-jzechi- 
schen Platz machen. Es mag wohl sein, daß die Regierung Taaffe die 
Czechisierung der Prager Universität nicht zugeben würde, wenn sie durch 
ein Gesetz bewirkt werden sollte; es wird jedoch hiezu kein Gesetz nötig sein, 
sie wird sich ohne Gesetz blos als Folge der gegenwärtig beschlossenen Zwei- 
teilung der Universität von selbst vollziehen. Eben darum gestaltet sich die 
Debalte zu einer für das Herrenhaus 1ungewohnlich lebhaften. Graf Taaffe 
bezeichnet es als den offenen Plan der Regierung, eine Verständigung der 
Nationalitäten herbeizuführen; Zweck der Vorlage sei die Anbahnung einer 
solchen Verständigung in Böhmen. Die Regierung stehe dabei auf streng 
gesehlichem Boden und stüße sich auch nach konstitutionellem Brauche auf 
die Mehrheit. Auch der nkerrschtemoifte v. Conrad verteidigt die Vor- 
lage. Für die Regierung sprechen ferner der Czeche Randa, der Ultramon- 
taue Helfert, der klerikal-sendale Belcredi 2c., gegen sie die Deutsch- Liberalen 
Hasner, Tomaschek, Unger 2c. Wesentlich gestaltet sich die Debatte zu einem 
Duell zwischen Unger und Belcredi. In hbchster Bewegung erklärt der 
greise Nestor der Universilät Prag, Professor Höfler: „Früher gab es an
	        
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