Dite österttichisch-Ingatischt Monarchit. (März 25.) 273
Honveds derzeit 203,000 Mann beträgt. Das Projekt einer unabhängigen
Nalionalarmee wird namentlich vom Honved- Minister Szende und von K.
Csiky bekämpft, der Mut genug hat, den auf Trennung gerichteten Forder-
ungen der äußersten Linken gegenüber zu erklären, daß Ungarn bestrebt sein
müsse, den Verband mit Esterreich nicht nur nicht zu lockern, sondern ihn
in jeder möglichen Weise zu slärken.
Der Unterrichtsansschuß des Unterhauses lehnt den ihm vom
Minister Trefort vorgelegten Mittelschul-Gesetzentwurf, der zu der Be-
wegung gegen die angeblich gewaltsame Magyarisierung der Deutschen
die nächste Veranlassung gegeben hat, mit 7 gegen 5 Stimmen ab.
Der Gesetz-Entwurf hatte nicht nur bei den Siebenbürger Sachsen,
sondern auch bei den autonomen Kirchen, den Fürstbischöfen und bei den
Evangelischen beider Konfessionen große Erregung hervorgerufen, und die
lebteren sowohl, als die Schulorden machten dem Geseh-Entwurfe Opposition,
weil dieser ihnen die Vermehrung des Lehrpersonals zur Pflicht machte, so-
mit nene nicht unbeträchtliche Lasten auferlegte und zudem ihren aukonomen
Einfluß auf die Mittelschulen wesenllich einschränkte. Bei den Siebenbürger
Sachsen waren außer diesen Gründen noch nationale Nücksichten bestimmend.
Die Ablehnung der Vorlage erfolgt denn auch durch eine Koalition klerikal-
katholischer Abgeordneter mit den Protestanten und den Siebenbürger
Sachsen. Abermals ist somit die Reform des Mittelschulwesens, die nun
schon in der dritten Legislatur-Periode auf der Tagesordnung steht, gescheitert,
und es zeigt sich immer klarer, daß in Ungarn vorerst die kirchenpolitischen
Fragen zum Austrage gebract werden müssen, ehe die Entwicklung des
Mittelschulwesens ernstlich in Angriff genommen werden kann.
25. März. (Österreich.) Der Reichsratsabg. Kronawetter
hält in Fünfhaus (Wien) vor ca. 3000 Arbeitern einen Vortrag
über „die Forderungen des vierten Standes vor dem Forum des
österr. Parlaments“. Sein Antrag auf Einführung des allgem.
Stimmrechts erhält aber wenig Zustimmung.
Arbeiler Barth erllärt, die Arbeiler würden sich durch den Abg. v.
Schönerer nicht zum Bismarck-Kultus und nicht zur Nationalitäten-Hetze
verleiten lassen; die Arbeiter streben vielmehr, unbekümmert um Nationalität
und um Konfession ihrem Ziele zu, das da lante: „Gleichheit den Menschen
kder Arbeit ihr Recht.“ Arbeiler Bauer erklärt, daß nach seiner An-
sicht das allgemeine Wahlrecht gar keinen Wert habe; die Arbeiter mögen vorerst
eine Verbesserung ihrer materiellen Lage anstreben und daun an die Erlang-
ung politischer Rechte denken. Arbeiter Hybesch: Alle Arbeiter seien be-
kanntlich zinlernationale Atheisten“ und verlangten nichts, als daß die Ar-
beit als die einzige Quelle der Existenz der Völker anerkannt werde. Ar-
beiter Hainischer will für allgemeines Stimmrecht sprechen (eöbaste, Zwischen-
rufe: Wir branchen kein Wahlrecht: hinunter mit ihm ) Arbeiter Hampel: Wir
brauchen nicht für das allgemeines Wahlrecht zu kämpfen; der europäische Parla--
mentarismus hat sich ohnehin überlebt, er ist verallet und bringt nichts Ver-
nünftiges hervor. Wir Arbeiter in Österreich wollen nur die Aufhebung
der Lohnsklaverei; wir wollen den gangen Reinertrag von unserer Hãnde
Arbeit. Wenn man uns heute das Wahlrecht erteilte, so hälten wir damit
unsere Lage nicht verbessert und nur die Aufmerksamkeit von unseren eigenl-
lichen Interessen abgelenkt.
Schulthess. Curop. Geschichtslalender. XXiIll. Bd. 13