Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Die Oflerreichisch-Angarische Monarchie. (Ende März.) 277 
einem k. k. Aktnar gehalten wurden und daß an der Universilät in Graz 
auch über römisches und Kirchenrecht, Strafprozeß und Finanzwissenschaft 
einige Vorlesungen vorübergehend in flovenischer Sprache stattfanden, bis 
dann endlich Graf Thun diesem Wesen ein Ende machte. Wenn wir Herrn 
Sumann l(eigentlich Schumann) glauben wollen, so teilen sich jetzt die Stim- 
men der „Patrioten“, indem die Einen die Errichtung einer flovenischen 
Rechtsalademie in Laybach, Andere aber die Einführung von slovenischen 
Vorlesungen aus den praktischen Fächern an der Grazer Un-der- ität befür- 
worten, und so sehen wir denn nach dem Vorgange in Prag die Dinge auch 
in der Steiermark genau so heranreifen, wie wir sie in Bohmen haben sich 
entwickeln sehen.“ 
Ende März. (Ungarn.) Die Hoffnung der Deutschen, daß 
die Regierung den Mittelschul-Gesetzentwurf zurückziehen werde, hat 
sich nicht verwirklicht: der Unterrichtsminister Trefort hat vielmehr 
erklärt, daß er keineswegs gesonnen sei, den Gesetzentwurf fallen zu 
lassen, wenn er auch darauf verzichtet hat, ihn so, wic er ist, durch- 
zubringen. 
Derselbe ist nicht an den Ansprüchen der Nationaliläten, sondern an 
dem Widerstaude der Konfessionen gescheitert. Besonders die Drohung des 
Kardinals Haynald mit dem Kullurkampie hat den Aus schlag. gegeben. 
Nun soll vor allem dem hohen Klerus jeder rechtliche Boden zur Opposition 
gegen den Miltelschulgesetzentwurf entzogen werden, um sodann das Gese 
gegen die Nationalitäten durchzubringen; daher hat Trefork die zur Prüfung 
der rechtlichen Natur der katholischen Stiftungen eingesetzte Kommission ein- 
berufen und dieselbe aufgefordert, ihre Arbeilen zu beschleunigen. Zugleich 
bemerkte der Unterrichts zminister, daß, wenn die Kommission sich weigern 
sollie, in dieser Frage ein bestimmtes Gutachten abzugeben, so würden die 
Gerichte diese Aufgabe lösen. Inzwischen ist die Lage der dentschen Ungarn 
bezüglich ihrer Nationalität eine sehr aussichtslose. Sie stehen eben unler 
dem Druck, unter welchem in diesem Lande, das ein mächtiges, allerdings in 
seiner Mehheit von der jeweiligen Negierung ernanntes Parlament, dagegen 
außer mustergültiger Preßffreiheit keine persönliche Freiheit besiht, die Nicht- 
magharen schmachlen. Nur die Gewißheit, nicht ganz ohne politischen und 
moralischen Rückhalt zu sein, kann die ungarischen Deutschen ermuligen, ihre 
verlengnete Nationalität wieder zu bekennen. Der deutsch-österr. Rückhalt 
ist verloren. Einerseits steht den Deutschen in Ssterreich gleichfalls das 
Wasser am Halse, andererseits leben die Deutsch- Issterreicher oder doch deren 
Führer in dem Wahn, daß der ungarische Ministerbräsident sie schliekbich 
vom Untersinken erretten würde. Gegen die Deutschen gehen aber die Re- 
gierungen beider Reichshälften ohne sörmliche Verständigung darüber und 
zwar merkwürdiger Weise gerade seit dem Abschlusse des Bündnisses mit 
Deutschland von 1879 Hand in Hand. Der einzige Rückhalt für die unga- 
rischen Deutschen bildet die öffentliche Meinung des sonst so mächtigen 
Deutschlands, aber der Einfluß besselben auf Ungarn und die ungarische 
Regierung ist in dieser Frage tha tsächlich nur ein geringer. Er reizt sie 
bloß und zwingt sie höchstens zu einiger Vorsicht. Mehr sleht offenbar 
nicht in Aussichl. 
Ende März. (Ungarn: Kroatien.) Landtag: berät seit sei- 
nem Zusammentritt das kroatische Landesbudget. 
Und fast kein Tag vergeht, ohne daß der Telegraph nicht einen neuen 
 
	        
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