Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

278 Die äösterreichisch. Uugarische Monarchie. (Auf. April — 13.) 
Skandal aus dem Landtage zu melden hat. Die kroatische Opposition über- 
häuft die Mehrheit in jeder Sitzung mit rohen Ausfällen, die in der Ge- 
schichte der Parlamente beispiellos sind. So hat ein oppositioneller Abge- 
ordneter den Antrag gestellt, man möge die Präsidenlenglocke dem Präsidenten 
um den Hals hängen! Der Führer der Opposition, Starcsevics, erklärte, 
daß sich der Vanus, Graf Pejacsevics, in „ekelhafter“ und „banditenhafter" 
Weise erniedrige. Statt des Wortes „Ungarn" gebraucht die Opposition 
das Wort „Erbfeind“, um Ungarn zu bezeichnen. Der Aus gleich mit Un- 
garn wird kurzweg „Landes everrat“ genannt; der Landtag — heißt es — 
sei keine Vollsvertretung, sondern nur der Aus efluß des Willens des BVanus 
Grafen Pejacsevics, da die Gelder, welche für die durch Erdbeben Beschä- 
digten gesammelt wurden, zu Wahlzwecken verwandt worden seien. Gewiß 
macht die Opposition ihrem eigenen Volk kein Kompliment, indem sie ver- 
klündet, daß die ganze Wöhlerschaft Kroatiens sich von den Ungarn bei jeder 
Wahl erkanfen läßt. Die kroatisehen Regierungsmänner nehmen diese Grob- 
heiten mit einer Geduld und Ruhe hin, die man sich nur dadurch erklären kann, 
daß sie für den „ungarischen Staat“ auch nicht schwärmen; aber die unga- 
rische Regierung scheint die Sache ernster zu nehmen, indem sie die Ein- 
führung einer strengen Hausordnung fordert, um diesen systemalischen Be- 
leidigungen ein Ende zu bereiten, jedoch ohne Erfolg. 
Anufang April. (Steiermark.) Die Forderungen der slo-= 
venischen Reichsratsabgeordneten nach Slovenisierung von Amt und 
Schule in allen jenen Kronländern, wo Slovenen leben, haben na- 
mentlich in Steiermark, aber auch in Kärnthen, Görz 2c., eine leb- 
hafte Gegenströmung hervorgerufen, an welcher wenigstens zur Zeit 
noch auch ein Teil der slovenischen Vevölkerung selbst, welche die 
Vorteile deutscher Schulbildung offen anerkennt, sich beteiligt. 
4. April. (Österreich.) In Wien wird eine vom Abg. 
v. Schönerer einberufene antisemitische Versammlung „christlicher 
Gewerbtreibender“ polizeilich aufgelöst. 
7. April. (Osterreich.) Der Ministerpräsident Graf Taaffe 
erläßt als Leiter des Ministeriums des Innern gemessene Weisungen, 
Verfammlungen mit ausgesprochen antisemitischer Tendenz überhaupi 
nicht zu gestatten, dann aber auch die Poligeiorgane zu beauftragen, 
Versammlungen, in welchen derartige Bestrebungen, wenn auch nur 
nebenher, auftreten, sofort aufzulösen. 
II. April. (Ungarn.) Im Anschluß an die Demonstrationen 
der Deutschen in einer Reihe kleinerer Städte Südungarns gegen 
den deutschen Schulverein erscheint nunmehr in Preßburg auch eine 
Gegenschrift gegen Geh. Nat Heinge unter dem Titel „Dr. Heinze's 
Anklageschrift llungaricna im Lichte der Wahrheit“, zwar anonym 
aber offenbar offizibs, da sie eine Fülle aus amtlichen Quellen ge- 
schöpfter Daten bringt. 
13. April. (Österreich.) Die Regierung begibt die neue
	        
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