Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Die öfrreichisch-Angarische Monarhie. (Mai 24—20.) 289 
das Aufgeben des Widerstandes gegen eine Erklärung, welche die bisherige 
Passivität und deren Rückzug decken sollte. Zum Beweise, daß man nicht 
unbekümmert um Text und Sinn dieser Erklärung war, steht eine briefliche 
und telegraphische Korrespondenz mit dem Ministerpräsidenten zur Berfüg- 
ung, aus welcher hervorgeht, daß Se. Excellenz über die mitgeteilten Be- 
denken vollkommene Beruhigung zusichert und diese u. A. mit den Worten 
ausführt: „Der Entwurf bekont die Anerkennung der staatlichen Verhältnisse 
und den MWunsch, in den Reichsrat einzutreten, in viel prägnanterer Weise, 
als je zu erhoffen war, und wird keinerlei Anstoß bei der Verfassungsparteie 
erregen.“ Wie groß war daher das Erstannen, als sich bei der feierlichen 
Eröffnung des Reichsrates die sogenannten Rechtenmschaumugen der Abslinenz= 
politik im Glanze der Thronrede abspiegelten. Man war versucht, zu 
glauben, daß e die griechische Regierung die Thronrede verfaßt habe. (Heiter- 
keit links.) Dieser ersten Täuschung folgte — anderer, im administrativen 
Wege gemachter, schwerwiegender Konzessionen nicht zu gedenken — bald 
eine noch herausforderndere Uberraschung. Die Negierung hat nach dem 
Motto „Joblesse oblige' dem böhmischen Landtage eine Landtagswahlord- 
nung, respeine Neform derselben, vorgelegt, welche die spezielle Bestimmung 
hatte, die Verfassungstreuen des Großgrundbesitzes für immer unterzutauchen. 
Das ist die Moral des Kompromisses.“ 
21. Mai. (Bosnien und Herzegowina.) Die Rekrutie- 
rung beginnt mit diesem Tage auch in den beiden olkupierten Pro- 
vinzen. Die Zahl der zu Assentierenden ist gegen den ursprünglichen 
Plan nur eine sehr beschränkte und das Geschäft wird nur langsam 
betrieben, so daß es sich bis Ende Juli hinauszieht. Schwierigkeiten 
ergeben sich dabei nicht: die wenigen Rekruten werden leicht beige- 
bracht, desertieren aber zum Teil alsbald wieder. 
26. Mai. (Österreich.) Beide Häufer des Neichsrats neh- 
men die Wahl der Delegationen vor und vertagen sich dann. Durch 
das Ergebnis der Wahlen geraten die Liberalen zum ersten Mal 
auch in der österr. Delegation in die Minderheit, indem sie von 
60 Sitzen nur mehr 28 inne haben. Weder Schmerling noch Herbst 
befinden sich darunter. In der Zwischenzeit bis zur Wiedereröff- 
nung des Reichsrats treten die Landtage der einzelnen Kronländer 
zusammen. 
26. Mai. (Ungarn.) Abg.-Haus: nimmt nach fast 14tägi- 
gen, zum Teil sehr heftigen Debatten den von den Delegationen be- 
willigten Kredit für das Okkupationsgebiet in namentlicher Abstim- 
mung mit 222 gegen 139 Stimmen an. Die Okkupation überhaupt, 
namentlich aber die bisherige schlechte Verwaltung des Gebietes wur- 
den von der Opposilion mit Vehemenz angegriffen und Tisza sah 
sich zu der bestimmten Erklärung genötigt, daß der gegenwärtige 
Zustand in den okkupierten Provinzen allerdings ein unerträglicher 
sei, und daß die Administration in denselben von nun an in einer 
Schulthess, Europ. Geschichtskalender. XXIII. 2d. 19
	        
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