Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

306 Die öherrerchisch-Ungarische Nonarchie. (Anf. Aug.) 
bloßen Provinzialereignisses. Bis zum Jahr 1879 standen sich unter dem 
Rägime der Verfassungstreuen zwei Parteien in Dalmatien schroff entgegen: 
die Autonomisten und die kroatische Nationalpartei, das Gros der 
slavischen Bevölkerung Dalmaliens. Die Autonomisten hielten zur Ber- 
fassungspartei, die kroatische Nationalpartei zu den Föderalisten. In dem 
Kampfe, welcher während der Ara der Verfassungstreuen in Dalmatien 
zwischen den Antonomisten und der kroatischen Nationalpartei geführt wurde, 
spielte noch ein drittes Element, das serbische Element in Dalmatien. 
Der Unterschied zwischen Serben und Kroaien ist überhaupt, insbesondere 
aber in Dalmatien, schwer fjestzustellen; denn Serben und Kroaten sprechen 
absolut eine und dieselbe Sprache, nicht einmal ein Unterschied des Dialekts 
ist in Dalmalien festzustellen, wie etwa in den Komitaten um Agram herum. 
Der Unterschied zwischen Serben und Kroaten bleibt jedoch der, daß sich 
die Serben zur griechisch-orientalischen, die Kroaten zur katholischen Kirche 
bekennen, und daß sich erstere in ihrer Schrift der chrillischen, die letzteren 
der lateinischen Schriftzeichen bedienen. Während des Kampfes zwischen 
den Antonomisten und der kroatischen Nalionalpartei hielten denn auch 
Serben und Kroaten fest zu einander gegen die Autonomisten und so- 
wohl diese Eintracht zwischen Serben und Kroaten als auch ihre Stellung 
gegenüber den Autonomisten dauerte in Dalmatien unverändert bis zum 
Aufstand in der Hergegowina. Mit den Ereignissen in Bosnien und 
er Herzegowina, mit der ganzen Orientkrisis und dann mit dem Sturze 
der Verfassungstreuen in Cisleithanien haben sich sowohl die Parteiverhält- 
nisse als überhaupt alle Verhältnisse in Dalmatien von Grund aus ver- 
ändert. Zu Anfang des Aufstandes in der Lerzegowina= hatte man 
Grund zu glauben, daß der Aufstand in einer Osterreich freundlichen Ten- 
denz geschehe. Die zahlreiche Beteiligung der Katholiken längs der dalma- 
tischen Grenze an diesem Aufstande, die laxe Handhabung des Grenzkordons 
von Seite der österreichischen Behörden, der Umstand, daß man in dem auf- 
ständischen Gebiete hie und da den „kroatischen König“ Franz Joseph hoch 
leben ließ — mag zu dem Glauben geführt haben, daß. der Aufstand in 
der Herzegowina erzeugt wurde, um die Annerion an Fsterreich vorzube- 
reiten. Aber kaum nach einigen Wochen, als sich der Aufstand in der Her- 
zegowina verbreitet hatte, nahm er einen ganz anderen Anstrich. Die Äunf- 
ständischen wollten von Ssterreich nichts wissen, sondern erklärten ihre Zu- 
gehörigkeit zu Montenegro; auch der Ansstand in Bosnien hatte einen 
serbischen Charakter, denn die bosnischen Aufständischen erklärten wieder 
ihre Zugehörigkeit zu Serbien. Es folgten der serbisch-türkische, der 
montenegrinisch-lürkische und guleht der rufsisch-türkische Krieg. Montenegro 
mußte die Herzegowina räumen. Serbien durfte sich nach Bosnien gar 
nicht wagen, und Rußland mußte zuletzt zugeben, daß Ssterreich Bosnien 
und die Herzegowina okkupirte. Alle diese Ereignisse waren von einer un- 
geheuren Nückwirkung auf Dalmatien. Sobald es nicht mehr zweifelhaft 
sein konnte, daß sich * in den Besih von Bosnien und der Herzego- 
wina seqen“ werde, so wuchs den Kroaten gewaltig der Kamm. Man hatte 
sich in Agram wie in Zara eingebildet, daß Osterreich nichts Besseres zu 
thun haben werde, als Bosnien und die Herzegowina mit Dalmatien, 
Kroatien, Slavonien und der Militärgrenze zu einem großtroatischen 
Königreich zu vereinigen. Zugleich sollte diese Vereinigung mit der Pro- 
paganda des Katholizismus ein Gegengewicht gegen die griechischen Serben 
sein und damit mittelbar den Einfluß Rußlands auf letere paralysiren. 
Von diesem Standpunkt aus stellten sich die Kroaten immer mehr in 
Gegensaß zu den Serben und erklärten alle serbischen Bestrebungen als
	        
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