Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Die österrtichisch:-Ungarische Monarchie. (Mitte Olt.) 319 
weit entfernt. Dazu müßte zu der ersten Wahlreform doch erst noch 
eine zweite, dritte und vielleicht vierte treten. Auch das ist wohl 
möglich, aber doch nur erst mit der Zeit. Inzwischen soll dem 
letzten Ziele durch die Landtage wenigstens so viel wie möglich vor- 
gearbeitet werden und zwar zunächst durch eine Wahlreform für die 
Landtage selbst, wozu auch die Liberalen mithelfen, und durch An- 
griffe auf das Reichsvolksschulgesetz, wozu sich Czechen, Polen und 
und Ultramontane die Hand geben. 
Niederösterreich: Der Landtag lehnt einen Antrag v. Schönerer' 
auf „Regelung. der Indenfrage als einem unabweislichen Gebot der Not- 
wendigkeit“ mit allen gegen die Stimmen der Abgeordneten Schönerer und 
Fürnkranz ohne Debatte ab. v. Schönerer: „Ich habe nichts anderers er- 
wartet. Aber wenn Sie die berechtigten Wünsche der Bevölkerung nicht 
einmal eingehend prüfen, so darf es Sie nicht wundern, wenn die Bevöller- 
ung gleichfalls in gewaltsamer Weise die Lösung diefer Frage selbst in die 
Hand nimmt". Landmarschall: „Ich bitte zu bedenken, daß solche Worte 
in einer legislativen Körperschaft gar nicht ausgesprochen werden sollten“. 
Schönerer: „Es wird aber doch so sein!“ — Ferner beauftragt er bez. der 
Landtags-Wahlreform den Landesausschuß mit der Vorbereitung einer 
Vorlage wegen Ausdehnung des Wahlrechts und Aufhebung der indirekten 
Wahlen in den Landgemeinden und nimmt Gesebentwürfe, durch welche 
die Zahl der Abgeordneten für die Stadt- und Landgemeinden, insbesondere 
für die Reichshauptstadt Wien erhöht und die Vororte Wiens in die Kurie 
der Städte überseht werden, mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit an, 
lehnt dagegen einen Antrag der Großgrundbesitzer-Kurie, auch die Zahl der 
auf ihre Interessengruppe enfallenden Abgeordneten zu vermehren, ab. 
Oberösterreich: Der Landtag lehnt, den Antrag der Klerikalen auf 
Herstellung der konjessionellen Schule und überantwortung der Schulgesetz- 
gebung an die Landtage trotz lebhafter Befürwortung derselben durch den 
Bischof Rudigier mit erheblicher Mehrheit ab und beschließt, den Landes- 
ausschuß bez. der Landtags-Wahlreform mit einer Vorlage zu beauf- 
tragen, welche die indirelten Wahlen in den Landgemeinden beseitige und 
die geheime Stimmabgabe in allen Wahlkörpern einführe; weiter soll durch 
die Reform die Zahl der Abgeordneten aus den Landgemeinden ribeschadet 
der Aufrechthaltung des Interessen-Gleichgewichts“ vermehrt und der Wahl- 
gensus in Städten und Landgemeinden auf 5 fl. n** Staatssteuer Wit 
Einrechunng aller Staakszuschläge herabgesetzt werd 
Salgburg: Der in seiner Mehrheit klertale. Landtag beschließt eine 
Reihe von Aurgiorse über die Nevision der Gewerbeordnung, die in 
der Festsetzung der „Meisterzahl“ nach dem lokalen Bedürfnisse gipfeln und 
ferner die Wiedereinführung des Schulgeldes, kann sich dagegen bez. 
der Landtags- Wahlreform nicht einigen, so daß keine Jworldekslelemeyt. 
heit zu stande kommt. Die Liberalen beantragten die Ausdehnung des 
Wahlrechts auf alle direkten Steuerträger und die Einführung der direkten 
Wahlen in den Landgemeinden, was die Klerikalen als eine große Gefahr 
für ihre Parkei betrachten, ja als förmlichen „Selbstmord“ erklären. Die 
Klerikalen wollen nur eine sehr beschränkte Wahlreform, zu der aber wieder 
die Liberalen ihre Hand nicht bieten. 
Vorarlberg: Zwischen dem Landtage, der sonst sehr still verläuft, 
und der Regierung bricht noch in letzter Stunde ein kleiner Konflikt aus, 
indem die klerikale Mehrheit die Einstellung der Kosten für die gesetzlich
	        
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