Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Die Glerreichisch-Ungarische Monarchie. (Tez. 19—24.) 341 
Mahnung an Ssterreich-Ungarn ausgegangen sei, bei der Stange zu 
bleiben, d. h. der slavischen Politik im Innern keinen Einfluß auf 
seine auswärtigen Beziehungen zu gestatten, wozu Graf Kalnoky 
einige Neigung zu haben schien. Schließlich wird indes auch in 
Ssterreich wieder abgewiegelt, indem die „Nordd. Allg. Ztg.“ ihr 
unbedingtes Vertrauen zu Österreich ausspricht und die offiziöse 
österreichische Presse behauplet, daß in Csterreich alle Parteien für 
das Bündnis seien, obgleich das wenigstens bezüglich der Czechen 
eine handgreifliche Unwahrheit ist. 
19. Dezember. (Böhmen.) In Prag findet die feierliche 
Installation des Rektors der zu errichtenden czechischen Universität 
statt. Die deutsche Universität Prag ist dabei nicht vertreten. 
20. Dezember. (Triest.) Der Attentäter Oberdank wird 
durch den Strang hingerichtet. Sein damals entwischter Genosse, 
der seither in Toskana verhaftet worden ist, wird von Italien nicht 
ausgeliefert, sondern soll in Udine vor den Geschwornen prozessiert 
werden. In Italien wird durch die Hinrichtung Oberdanks unter 
den Irredentisten und Nadikalen ein wahrer Sturm der Enirüstung 
entfesselt. 
24. Dezember. (Salzburg.) Auch in diesem Kronlande 
wird ein Bauernverein gegründet mit einem in 25 Punkten for- 
mulierten Programm. 
Das Programm ist streng agrarisch und vom Standpunkie des 
speziellsten Bauerninteresses aus entworfen, der die Corxistenz anderer ebenso 
berechtigter Interessen total ignoriert. Doch bietet es daneben einige beach- 
tenswerte Charakterzüge. So verlangt es „sich von der Fahne des Deutsch- 
tums nie und nimmer, weder aus Partei= noch anderen Rücksichten abwendig 
machen zu lassen", während die klerikalen Verlreter derselben Bauern im 
Neichsrat mit Czechen und Polen Hand in Hand gehen, um das Deutschtum 
zu bekämpfen und überall Mmöglichst einzuengen. Ferner acceptiert das 
Programm das Oberaussichtsrecht des Staates über die Schule ein Recht, 
welches der Ultramontanismus ausschließlich der Kirche vindiziert. Das 
Programm nimmt auch die Gleichberechligung der Konfessionen an, erklärt 
sogar, an den Grundsähen des Volksschulgefetzes festzuhallen, freilich nur, 
um in demselben Alhem den wichtigsten Grundsatz dieses Gesehes, die 8jäh- 
rige Schulpflicht, zu verwerfen. Das ganze Programm wimmelt überhaupt 
vom prinzipiellen Widersprüchen und streift mitunter, was die Unmöglichkeit 
der Begehren betrifft, ans Kindische. So wird gleichzeitig die Aufrecht- 
haltung der Freiteilbarkeit von Grund und Boden und ein Heimstättengesetz, 
was soviel bedeutet, als die Aufhebung der Freiteilbarkeit, verlangt. Schließ- 
lich soll auch eine neue Grundentlastung die Hypothekarschulden aufheben, 
womit das Baueruprogramm in geradezu sozialistische Bahnen einlenkt. 
Merkwürdig ist es immerhin, wie diese eigenartige Bauernbe- 
wegung, die seit längerer Zeit in den inneröslerreichischen Alpenländern 
aufgetaucht ist, forldauert, wenn sie auch periodisch minder heftige Wellen 
wirft oder sogar ganz zu erlahmen scheint. Was dereinst die Resultate dieser 
 
	        
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