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mäßheit dieses Gesehes sofort auf's Neue verhaftet. Agrar- Verbrechen und
Vergehen aller Arl sind in Irland forkwährend an der Tagesordnung: die
öffentliche Agitation der Landliga hat zwar aufgehört, aber die Macht der
Regierung geht nur soweit, als die Hand ihres Militärs, ihrer Gendarmerie
und ihrer Konstablerschaft reicht; darüber hinaus waltet eine geheime Ver-
schwörung, die vielfach offenbar einheitlich geleitet wird.
Anfang Oktober. In der Partei Parnell's ist ein entschie-
dener Riß eingetreten: Die Amerikaner stellen zum größeren Teil
ihre Sammlungen für die Landliga ein, was diese aufs Trockne zu
setzen droht.
Die Abgeorducten Irlands im briktischen Parlament waren schon
bisher nicht einig und sind es niemals gewesen. Von 103 irischen Parla-
mentemitgliedern gehörten nur 63 zur sog. Home-Rule-Partei und diese
spallen sich wieder in 38, welche Shaw, und in 25, welche Parnell als ihren
Führer anerkennen. Die Parnelliten aber wurden nur durch die Landliga
und diese wieder größtenteils nur durch die reichen Geldbeiträge, welche ihr
aus Amerika zuflossen, zusammengehalten, da diese außer zu anderen einge-
standenen und nicht eingestandenen Zwecken auch dazu verwendet wurden,
den Parnellilischen Parlamentemitgliedern Taggelder zu bezahlen, ohne welche
die Mehrzahl derselben ein Mandat nicht hälte annehmen können. Nun
aber droht die Hauptquelle der Landliga zu versiegen. Die in New-York
erscheinende „Irish World“ kündigt nämlich an, daß sie die Sammlungen
für die Landliga, welche seit drei Jahren bei ihr einliefen und im Ganzen
342.548 Dollars betrugen, hiemit abschließe. Gleichzeitig wirft der Redak-
teur, welcher zu den Pflegern des Scharmühelfonds gehört hat, den Urhebern
des „Vertrages von Kilmainham“ mit scharfen Worten den Sack vor die
Thür, indem er sie beschuldigt, die Bewegung ins Stocken gebracht, rück-
läufig gemacht, kurz, die Zwangspolitik der englischen Regierung thatsächlich
unterstütxt zu haben. Seine weitere Anklage gegen die „irische Partei“ im
Unterhause geht dahin, daß sie sogar jede VBesprechung des Planes einer
Verstaatlichung des Grundeigenkums (wie Herr Davitt solche empfiehlt) zu
ersticken sich bemühe. Ein weiterer Trennungs egrund ist, daß die demokrati-
schen Parnelliten und die ultramontanen Anhänger Sullivan's einander
unter der Hand vielfach entgegenarbeiten. Endlich kommt dazu und zwar
als eine Hauptsach, daß der durch die Landakte und die Pachtrückstandebill
in eine bessere Lage gekommene Teil der Bevölkerung, die nicht ganz kleinen
Vächter, *1•° „Ruhe haben“, oder, wie der technische Ausdruck lautet, „ver-
dauen“
45 ltober. Die Negierung veröffentlicht ein Blaubuch über
den projektierten unterseeischen Tunnel nebst Eisenbahn unter dem
Kanal zwischen Frankreich und England.
Der von ihr niedergesetzte Ansschuß und die von diesem gehörken
mililärischen Antoritäten sind ziemlich einstimmig gegen das Projekt und
der Eindruck ist in der öffentlichen Meinung Englands der Art, daß die
„Times"“ glanben, durch die Veröffentlichung dieser Aktenstücke sei die Kanal-
tunnelfrage wohl für geraume Zeit abgekhan. — Die Behandlung der Frage
in dem Blaubuche ist eine sehr eingehende; dasselbe ist denn auch nicht we-
niger als 368 Folioseiten stark. Der Bericht des Kanaltunnel-Verteidigungs=
ausschusses, der unter dem Vorsite des Sir Archibald Alison zusammenge-
treten war, drückt, nach Herzählung der verschiedenen Maßregeln, die not-
wendig sein würden, um England gegen die Gefahr einer feindlichen Invasion