Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

394 Frankreich. (März 30 —- Anf. April.) 
daß kein einziges Mitglied sich für Unterhandlungen mit dem Papst 
ausgesprochen habe. Die öffentliche Meinung ist überwiegend da- 
für, das Konkordat nicht anzutasten, aber auch nicht länger über 
dasselbe hinauszugehen, wie es unter dem Kaiserreich zu Gunsten 
der Kirche in so hohem Maße der Fall war. 
30. März. Kammer: Die Regierung hat derselben ein neues 
Rekrutierungsgesetz vorgelegt und die Abteilungen wählen die große 
Kommission, der es zur Vorberatung überwiesen wird. Dieselbe 
wählt mit 14 gegen 6 Stimmen Gambetta zu ihrem Präsidenten. 
Es ist das der erste Erfolg, der ihm seit seinem Sturge wieder zu 
teil wird. 
Die Dienstzeit ist in dem Gesetzentwurf der Regierung auf drei Jahre 
firiert; in den folgenden zwei Jahren sollen die ausgedienten Soldaten, je- 
doch nur im Falle eines Kriegs, vom Minister zum Dienste in der aktiven 
Armee einberufen werden dürfen. Da man aus Budgetrücksichten nicht alle 
dienstfähigen Mannschaften drei Jahre lang unter den Fahnen behalten 
kann, so werden die jährlichen Kontingente in zwei Kategorien geschieden, 
von denen die eine und stärkere drei Jahre, die andere nur ein Jahr zu dienen 
hat. Diese Scheidung wird durch das Los bewirkt, und zwar geht die 
Auslosung nicht mehr der Gestellung voran, sondern sie folgt ihr und be- 
schränkt sich also auf die für dienstlauglich befundenen Individuen. Die- 
jenigen Militärpflichtigen, welche sich einem gelehrten Berufe widmen, fallen 
von rechtswegen in die zweite „Portion des Kontingents, desgleichen die Se- 
minaristen und Schullehrer. Der Einjährig= Freiwilligendienst, wie er jetzt 
besteht, wird gänzlich abgeschafft. Für eine leichtere Rekrutierung der nie- 
deren Cadres soll durch besondere ünteroffiziers schulen gesorgt werden; die 
Civilversorgungen jollen nur denjenigen zuteil werden, welche mindestens 
drei Jahre als Unteroffiziere gedient haben. 
31. März. Kammer: genehmigt die Handelsverträge mit der 
Schweiz, Spanien, Portugal und Schweden-Norwegen sowie die 
Konvention mit England. 
— März. Frankreich und die Verein. Staaten zeigen den 
Mächten an, daß die bimetallistische Pariser Münzkonferenz, die im 
April wieder zusammentreten sollte, auf unbestimmte Zeit verschoben 
sei — wahrscheinlich ad ealendas graccas. 
Anfang April. Gegen das am 28. März vom Präsidenten 
der Republik fanktionierte und damit perfekt gewordene neue Volks- 
schulgesetz erhebt sich seitens der kath. Partei ein wahrer Sturm der 
Entrüstung. 
Die Nechte der Kammer, mit dem Bischof Freppel an der Spipe, 
erläsßt gegen dasselbe einen charnischten Protest und die Häupter der 
klerikalen Partei bilden einen Verein und erlassen einen Aufruf an tMrr Fa- 
milienväter, den Unterricht in den Volksschulen forkwährend (durch die 
Kinder) zu überwachen, die gläubigen Schullehrer zu schützen und zu unter- 
stützen und die ungläubigen zu bekämpfen. Die klerikale Presse, voran das
	        
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