Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Eraukrtich. (Cti. Anf. 14.) 409 
Presse und in Versammlungen aller nur möglichen Art einen furcht- 
baren Lärm machen, wird als ein wahrer Herensabbath geschildert, 
der bei der Schwäche und dem geringen Ansehen des Ministeriums 
Duclerc nachgerade gefährlich werde. 
Anfang Oktober. Zur Abwechelung beschäftigt sich die öffent- 
liche Meinung wieder vielfach mit der Kadettenspielerei. Im Jura- 
bilden sich Gesellschaften zur Ubung der Jugend vom 13. bis 20. 
Jahre im Waffendienste. 
8. Oktober. Die Negierung setzt eine große Eisenbahnkom= 
mission von 30 Mitgliedern für die vielen mit dem Eisenbahnwesen 
zusammenhängenden Fragen ein. Die Zusammensetzung derselben 
wird vielfach getadelt. Die RNegierung scheint bez. der Fortsetzung 
des sog. Freycinet schen Arbeitsprogramms in dem bisherigen Um- 
fange unsicher zu sein und eventuell doch wieder an einen Rückkauf 
der Eisenbahnen für den Staat zu denken. 
11. Oklober. Ankunft einer madagassischen Gesandtschaft in 
Paris. Dieselbe wird auf Kosten der Nepublik im Grand Hotel 
splendid einlogiert. Die Regierung hofft, mit ihr einen für die 
frangösischen Ansprüche und Pläne günstigen Vertrag abzuschließen. 
Die Gesandschaft will aber auch nach London, Washington und Ber- 
lin gehen. 
14. Oktober. Die royalistischen Bankette haben seit dem Ende 
des vorigen Monats ihren Fortgang genommen und gehen auch 
noch weiterhin zahlreich fort. 
Gestützt auf die schrankenlose Preßfreiheit und das ebenso schranlen- 
lose Versammlungsrecht kennt die Keckheit der Noyalisten leine Grengen 
mehr: die nahe Ankunft des Königs und das Ende der „Nepublik wird lant 
verkündigt. Der Graf v. Chambord scheint aber wenig Lust zu haben, seine 
Person dafür einzusehen und lieber warten zu wollen, bis die Arbeit gethan 
wäre. Eine Note desselben, die von den royalistischen VBlältern übereinstim- 
mend veröffentlicht wird, erklärt zwar, daß „die gegenwärtige Stunde ein 
entschlossenes Handeln als eine bestimmte und nahe Pflicht aufdräuge“, 
meint aber doch, daß „der Graf Chambord nicht durch eine Partei regieren 
wolle, sondern jür alle Franzosen das Herz eines Königs und Vaters habe." 
— Der bekannte Publizist J. J. Weiß erklärt die ganze Agitalion für einen 
Roman: „Es kann gar nicht die Frage sein, ob die Republik fortbestehen 
wird oder nicht. Sie wird fortbestehen, wie unzusammenhängend sie auch 
sein mag, weil ihre Gegner noch nusammenhängender sind als sie. Es 
fragt sich nur, ob die Nepublik regiert werden wird oder nicht.“ Doch 
macht er auf eine Gefahr ausmerksam: „Die Orleans haben sich am 5. Aug. 
1873 mit dem Grafen Chambord ausgesöhnt und lein Prinz des Hauses 
Frankreich macht diesem die Krone streitig; aber die Prinzen von Orleans 
haben niemandem versprochen, daß keiner von ihnen zu Lebzeiten des Grafen 
Chambord die Präsidentschaft der Republik übernehmen würde.“
	        
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