Roßland. (Mai 1 Mitte.) 450
welches er bisher getragen: einige farbige Litzen und Befätze bilden den ein-
zigen Unterschied noischen dem Soldaten= und dem Bauernkittel. Würde
noch, wie es wirklich heißt, die Tienigeil herabgesetzt, so wäre das Bolksheer
im vollsten Sinne des Wortes fertig.
— April. Zahlreiche Juden beginnen auszuwandern und
nehmen ihren Weg zunächst nach Brody in Galisien, wo sie sich
anhäufen. In London, Berlin u. a. O. bilden sich Hilfskomites
mit sehr ansehnlichen Mitteln zur Unterstützung.
41. Mai. Das Minister-Komit: stimmt den von Ignatieff
vorgeschlagenen Punkten behufs Regelung der Stellung der Juden
nur teilweise bei.
— Mai. Die Unterhandlungen mit der päßpstlichen Kurie
behufs Herstellung eines meollus rirendi in den ehemals polnischen
Provinzen haben bis jetzt wenigstens zu einer vorläufigen und teil-
weisen Derständigung geführt und zwar bez. der von der russischen
Regierung aus politischen oder disgiplinären Gründen amovierten
Bischöfe, die nicht wieder eingesetzt, sondern anderweitig entschädigt
werden sollen, und bej. der gegenwärtig als Diözesan-Administra-
toren fungierenden Persönlichkeiten. Nom muß entgegenkommend
sein, wenn es überhaupt nur irgend etwas erreichen will.
10. Mai. Der Ministerrat genehmigt das Projekt einer sibi-
rischen Eisenbahn, die von der Orenburgischen Bahn ausgehend über
Samara, Ekaterinenburg, Fabumen und Omek geführt werden soll.
12. Mai. Der Reichsrat genehmigt mit großer Mehrheit das
vom Minisler des Innern vorgelegte Projekt einer staatlichen Grund-
kreditbank für Bauern.
13. Mai. Der Kaiser siedelt von Gatschina nach Pelerhof über.
14. Mai. Die Regierung schließt mit der Pforte einen Ver-
trag über die Zahlung der Kriegsentschädigung im Betrage von
802 1½ Mill. Frs. ab.
Die Zahlung erfolgt in Jahresraten zu 350,000 türkischen Lire,
welche Summe durch 75 Prozent des Ertrags der Schafsteuer und den
Zehnten der asial ischen Bilajets Aleppo, Konia, Kastamuni, Adana und
Sivas garantiert ist. Die Zahlung für das laufende Jahr wird der Pforte
zwar nicht geschenlt, aber doch verschoben. Es ist indes ein Rätsel, wie die
Pforte, deren Finanzen ohnehin an einem beständigen Defizit leiden und die
keinerlei Aussicht hat, sich durch Anlehen helfen zu können, jemals soll
zahlen können. Indes gewinnt NRußland dadurch die Möglichkeit, mit der
Pforte anzubinden, sobald es ihm beliebt.
Mitte Mai. Die Judenheben sind bis jetzt in verschiedenen
Teilen des Reichs immer noch fortgegangen, fangen aber nachgerade
an, der Regierung über den Kopf zu wachsen und bereiten ihr auch