Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

16 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 18—19.) 
die Grundsätze festzustellen, nach welchen der Minister der geistlichen An- 
gelegenheiten von den Erfordernissen der §§ 4 und 11 im Gesetz vom 11. 
Mai 1873 dispensieren, auch ausländischen Geistlichen die Vornahme von 
geistlichen Amtshandlungen oder die Ausübung eines der im § 10 erwähnten 
Ämter gestatten kann. Art. 4. An die Stelle des § 16 im Gesetz vom 11. 
Mai 1873 tritt nachfolgende Bestimmung: Der Einspruch findet statt, wenn 
dafür erachtet wird, daß der Anzustellende aus einem Grunde, welcher dem 
bürgerlichen oder staatsbürgerlichen Gebiete angehört, für die Stelle nicht 
geeignet sei, insbesondere, wenn seine Vorbildung den Vorschriften dieses 
Gesetzes nicht entspricht. Die Gründe für den Einspruch sind anzugeben. 
Gegen die Einspruchserklärung kann innerhalb dreißig Tagen bei dem Mi- 
nister der geistlichen Angelegenheiten Beschwerde erhoben werden, bei dessen 
Entscheidung es bewendet. Art. 5. Das Staatsministerium ist ermächtigt, 
für bestimmte Bezirke widerruflich zu gestatten, daß Geistliche, welche im 
übrigen die gesetzlichen Erfordernisse für die Ausübung geistlicher Amtshand- 
lungen erfüllen oder von denselben dispensiert sind, zur Hilfeleistung im 
geistlichen Amt ohne die nach § 15 des Gesetzes vom 11. Mai 1873 er- 
forderliche Benennung verwandt werden. 
Die sehr umfangreichen Motive verweisen auf die für die preuß. Land- 
tagsvorlage des 19. Mai 1880 und das Gesetz v. 14. Juli dess. J. wirksam ge- 
wesenen Motive hin. Neues enthalten sie wenig. Der Kern der Vorlage liegt 
offenbar in dem Artikel über die mögliche Wiedereinsetzung der durch Richter- 
spruch entfernten Bischöfe. Eine Mehrheit dafür wird, wie man glaubt, schwer 
zu erzielen sein: die Vorlage geht überhaupt dem Zentrum nicht weit genug, 
den Liberalen dagegen zu weit. Für den Fall der Ablehnung der Vorlage 
bereitet das Zentrum einen Antrag für Aufhebung sämtlicher Maigesetze 
vor und die dem Papste nahe stehenden römischen Blätter erklären die Ab- 
stimmung des Reichstags vom 12. Januar (über den Antrag Windthorst) 
als ein sicheres Unterpfand für die eventuelle Annahme eines solchen Antrags. 
18—19. Januar. (Deutsches Reich.) Reichstag: genehmigt 
in 1. u. 2. Lesung die im Nachtragsetat für das Reichstagsgebäude 
(s. 1881 13. Dez.) geforderte Summe ohne Debatte, nimmt den An- 
trag Windthorst nach unerheblicher Debatte auch in 3. Lesung un- 
verändert an und überweist den von den 3 liberalen Gruppen ver- 
einbarten und vom Abg. Buhl eingebrachten Gesetzentwurf wegen 
Erweiterung der Haftpflicht (Unfallgesetz; an eine Kommission von 
21 Mitgliedern. 
In der Debatte über den letzteren Gegenstand ist es zunächst Lasker 
(Sezess.), der den Antrag Buhl begründet. Er geht dabei auf die bezüg- 
lichen Bestrebungen des Reichstags bis zum Jahre 1871 zurück und legt 
dar, daß die einzelnen Forderungen des Antrags aus Bedürfnissen der 
Praxis hervorgegangen seien und denselben gerecht zu werden suchen. Bun- 
deskommissär Lohmann erkennt die wohlwollende Tendenz des Antrags 
an, doch ließen Antrag und Begründung noch eine große Zahl ungelöster 
Fragen und unwiderlegter Bedenken übrig. Er erblickt in der Vorlegung 
des Antrages von liberaler Seite einen Beweis dafür, daß die im vor- 
jährigen Entwurfe des Arbeiterunfallgesetzes von der Regierung niedergelegten 
Anschauungen und Bestrebungen nicht auf unfruchtbaren Boden gefallen 
seien. Gleichwohl sei im Ganzen die Materie noch nicht spruchreif, so dank- 
bar man auch die Anregungen des Antrags begrüßen möge. Kaiser (Soz.- 
Dem.) kritisiert das Verhalten der Liberalen. Zwölf Jahre lang hätten alle
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.