Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Ägyplen. (Junin -19.) 187 
3. Juni. Tie MWestmächte ichlagen den übrigen Mächten den Zu- 
sammentrii einer Votschafterkonferen) in Koustaulinopel vor und laden auch 
die Pforte dasn ein. Die Pforte lehnt jedoch ihre Teilnahme von vorne- 
herein ab und zeigt den Mächten an, daß sie beschlossen habe, den Muschier 
Derwisch P. als ihren Rommissär mit unbeschränlier Vollmacht nach Agypten 
zu schicken. 
Juni. Arabi laßt den Hafen von Alexandrien gegen mögliche 
Unternehmungen der Flolte starl bejestigen. Auf Begehren Englands ver- 
langt der Sultan die Einstellung der Arbeiten. Arabi gehorcht, behauptet 
aber, es seien nur Ausbesserungen hewesen, „um die Aufregung der ägyptisch- 
vomanischen Nation zu beruhigen.“ 
Juni. Derwisch P. trifft in Agupten ein und tritt anfänglich 
sehr hochtrabend auf- im Notfall werde er das ägyptische Kriegeministerium 
selbst übernehmen. Der Khedive erklärt, daß eine Ausfohnung zwischen ihm 
und Arabi unmoglich sei. 
II. Juui. Massalre der Europäer durch den arabischen Pöbel in 
Alerandrien auf dem Konsulplatz und im eigentlichen Frankenquartier. Die 
Zahl der Getöteten wird auf 350 angegeben, kann aber nicht verisiziert 
werden. Die europäische Flotte sieht demselben vom Hafen aus unthätig zu. 
Panik der Enropäer in Kairo und Alerandrien, die dar Land massenhaft 
Zu verlasien anfangen, da der frauf. Konjul jede Verantwortlichtet. für ihre 
Sicherheit ablehnt und der englische gerade#n zur Flucht rät. 
In London und Paris ist man überzengt. daß die Ereignisse das 
Werk eines zum voraus berechneten Plaus gewesen, um der enrop. Bevöl- 
klerung klar zu machen, daß allein der militarische Machthaber im stande sei, 
ihr Schutz zu gewähren und die öffentliche Orduung aufrecht zu halten. 
Auch Terwisch P. Stellung steht momentan in der Luft: auf die erste Nach- 
richt um Hilfe bestürmt. muß er erklären, leine Macht dazu zu besitzen. 
Von den Konsuln gedrängt, geben der Abhrdive und Derwisch endlich die 
Zusage, sie übernähmen die Bürgschaft für Leben und Eigentum der Euro- 
päer in Gestalt einer Doppelgarantie und richten an Arabi einen Erlaß, 
in dem sie ihrerseite dieiem die Verantworllichkeit aufbürden; Arabi gibt 
wieder Befehl an seine Untergebenen und so geht es weiter von Garantie 
zu Garantie. Die nächste Folge der Greignisse ist aber, in Erwartung von 
Reklamalionen und Maßregeln der Mächte, doch eine Art Aussöhnung zwi- 
schen dem Khedive, Derwisch und Arabi. 
13. Juni. Der Khedive und Derwisch P. gehen nach Alexandrien, 
wie man meint, um bei zunehmender Gefahr leichter ein reklendes Schiff 
erreichen zu können, und verlangen vom Sultan die Absendung von 18.000 
Truppen. Auch alle Generalkonfuln finden sich in Alerandrien ein. Arabi 
bleibt allein in Kairo zurück, mehr als je Herr der Lage. 
17. IJuni. Der Khedive bildet nach dem Rate Deutschlands und 
Österreichs ein neues, gewissermaßen neutrales, Kabinet mit Ragheb P. 
(einem Türlen) und Arabi P. Das Kabinet wird nur als ein Notbehelf 
angesehen, um den Europäern Gelegenheit zu geben, unbelästigt das Land 
verlassen zu können. Der Khedive scheint sich momentan mit Arabi ganz 
ansgesöhnt zu haben. Auch Derwisch P. bietel dazu seine Hand. 
19. Juni. Sämtliche Mächte haben dem Zusammentrilt der Bot- 
schafterkonferenz in Ronstantinopel beigestimmt. Nur die Pforte lehnt jede 
Teilnahme beharrlich ab und ist gegen jede Intervention, wenn man ihr 
dabei nicht volllommen freie Hand lasse. Franlreich und England wollen
	        
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