übersicht der polilischen Enlwichrlung des Jahrts 1882. 509
slande wäre, es allein mit den deutschen Streitkräften aufnehmen zu
können, ja daß es vorerst ganz dahin gestellt bleiben müsse, bis wann
dies überhaupt der Fall sein werde. Ein spontaner Angriff auf
Deutschland ist dadurch zur Zeit absolut ausgeschlossen und eine
Wiederaufnahme des Kriegs gegen dasselbe wäre anerkanntermaßen
nur möglich in Verbindung mit einem hinreichend starken Vundes-
genossen, als welcher nur Rußland gilt, dessen Neigung dazu aber
in weiter Ferne zu stehen, zum wenigsten ein sehr ungewisses Ding
zu sein scheint. Die zweite Thatsache, die sich unmittelbar an die
erste anschließt, liegt darin, daß zwischen den Wünschen der mate-
riellen Mehrheit der Franzosen und dem Drange des französischen
Volksgeistes unläugbar eine entschiedene Disserenz eingetreten ist. Es
scheint fast außer Zweifel zu sein, daß die materielle Mehrheit der
Franzosen geneigt wäre, sich in die einmal bestehende Sachlage zu
schicken und wenn auch nicht für immer, doch wenigstens auf ab-
sehbare Zeit auf jede Wiedereroberung von Elsaß-Lothringen und
auf die Wiedervergeltung an Deutschland zu verzichten, daß die
materielle Mehrheit der Franzosen den Frieden wünscht und jedem
Abenteuer entschieden abhold ist. Nicht so der frangösische Volks-
geist, wie er sich in Paris konzentriert und in den leitenden Kreisen
zum Ausdruck kommt. Dem frangösischen Volksgeist erscheint es
unerträglich und unmöglich, sich in das Unvermeidliche zu schicken,
sich mit der Ansgestaltung der inneren Zustände zu begnügen und
im Ubrigen nur Dinge anzustreben, die nicht bloß möglich, ja nicht
bloß wahrscheinlich, sondern nach reiflicher Uberlegung ziemlich sicher
auch erreicht werden können. Er verlangt, daß in der Welt von
Frankreich gesprochen werde, verlangt nach irgend einer Bethätigung
seiner Macht, nach irgend einer Ausdehnung seiner Herrschaft, nach
irgend einem Gegner, der sich vor ihm fürchte und sich vor ihm
beuge. Wenn es Zunächst unmöglich ist, Deutschland direkt beizu-
kommen, so muß wenigstens irgend ein Ersatz für das verlorene
Elsaß-Lothringen gefunden werden, wenn nicht in der Nähe, so doch
in der Ferne, wenn nicht anders, auch durch elwas, was die Fran-
zosen selbst ein Abenteuer nennen. Es ist wohl ziemlich sicher, daß,
wenn die Frage: „Wollen wir in einem beständigen wenn auch nur
latenten Kriegszustande mit Deutschland bleiben oder wollen wir
frischweg wenigstens für die nächsten 10 oder 20 Jahre auf eine
Wiedererwerbung von Elsaß-Lothringen verzichten: Wollen wir
Tunis erobern oder nicht? Wollen wir uns in Agypten festsetzen