Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Überichl der polililchen Enlwickelung des JZahres 1882. 515 
seinen europäischen Gläubigern nach und nach schuldig geworden 
war und die das Land s. 3Z. hatte übernehmen müssen, nicht we- 
nigstens vorher auf denjenigen Vetrag reduziert worden waren, den 
er wirklich erhalten hatte, sondern dem Lande zum vollen teilweise 
rein fiktiven Nominalbelrage aufgerechnet worden waren. Außer- 
dem stand eine große Menge europäischer Beamter im Dienste des 
Landes und zwar mit unverhältnismäßig hohen Befoldungen, die 
sie zum Teil verdienten, zum Teil aber auch entschieden nicht ver- 
dienten, während sich die eingeborenen Veamten mit viel geringeren 
Beträgen begnügen mußten. Endlich war der ganze Handel des 
Landes in den Händen der Guropäer, die der ägyptischen Rechlts- 
pflege ganz entzogen waren und sich auch den Steuern vielfach zu 
entziehen gewußt hatten. Kurz die eingeborene arabische Vevölke= 
rung halte das drückende Gefühl, daß sie eigentlich nur da zu sein 
scheine, um von den Guropäern ausgebentet zu werden. zu diesem 
Gegensatz der Rasse kam dann noch der religiöse Gegensatz hingu, 
trat nachgerade energisch in den Vordergrund und wurde von außen 
her mehrfach genährt. Denn geradr so wie Frankreich auf die Idee 
gekommen war, sich gegen die islamitischen Elemente und den is- 
lamitischen Widerstand, auf den es in Algier und Tunis fortwährend 
stieß, durch Ansdehnung seiner Herrschaft über ganz Nordafrika zu 
sichern, so war im Sultan zu Konstantinopel der Plan aufgedäm-Agypien 
mert, diese islamitischen Bestrebungen zu benützen und zusammen= und der 
zufassen, um mit ihrer Hilfe die ihm in Afrika fast ganz aus den llan. 
Händen gefallenen Zügel der Herrschaft wieder zu ergreifen und so 
vielleicht dort die Berluste, die er durch den letzten russischen Krieg 
und den Berliner Vertrag in Europa gemacht hatte, wieder einzu- 
bringen. In der That befland begüglich Agyptens zwischen den Aspi- 
rationen Frankreichs und des Sultans von Anfang an ein bewußter 
und vielfach auch ausgesprochener Gegensatz. Mit dem schwachen 
und zudem persönlich vielfach europäisierten Khedive Tewfik war 
für den Sultan und seine Pläne nicht viel angufangen; dagegen ist 
es außer Zweifel, daß er mit Arabi bald nähere Beziehungen an- 
knüpfte, auf die dieser auch sehr gerne einging, aus religiösen Grün- 
den und um einen sehr ins Gewicht fallenden Stützpunkt sowohl 
gegenüber dem Khedive, als gegenüber den Europäern und gegen- 
über seiner eigenen Nationalpartei zu gewinnnen, obgleich er sich 
von Anfang an darüber klar gewesen zu sein scheint, daß für Agypten 
selbst wenig gewonnen wäre, wenn es schließlich die Vormundschaft 
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