Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

550 übersicht der polilischen Enkwichelung des Jahres 1882. 
direkten Steuern den Einzelstaaten, die indirekten dagegen dem Reiche 
zugeschieden waren, so ergab sich der Ausweg, die Matrikularumlagen 
behufs Entlastung der Einzelstaaten durch neue indirekte Steuern zu 
gunsten des Reiches zu beseitigen, fast von selbst. Dieser Ausweg 
wurde durch die Tarifreform von 1879 beschritten und heute sind die 
Matrikularbeiträge beseitigt oder aufgewogen. Aber dabei blieb der 
Reichskanzler nicht siehen. Auch nachdem die Einzelstaaten von den 
Matrikularbeiträgen thatsächlich entlastet waren, blieben die Finanzen 
derselben doch immer noch überaus knappe, namentlich diejenigen 
der größeren und in erster Linie diejenigen Preußens. Mehr noch 
als irgend ein anderer Eingelstaat stand Preußen, woferne gewisse 
Bedürfnisse, welche wenigstens der Reichskangler für dringende hielt, 
wie eine teilweise Entlastung der Kommunen und eine allgemeine Er- 
höhung der bisher fehr bescheiden bemessenen Beamtengehalte, auch 
nur teilweise befriedigt werden sollten, vor der fatalen Alternative 
entweder eines und zwar sehr erheblichen Defizits oder einer ebenso 
erheblichen Stenervermehrung. Selbstverständlich konnte auf die 
Dauer nur die letztere in Frage kommen. Aber auch hier stand 
man wieder vor einer neuen Alternative, entweder einer Reform 
resp. einer Vermehrung der direkten Steuern in Preußen oder der 
Einführung weiterer indirekter Steuern für das ganze Neich, deren 
überschüsse Preußen und nicht nur diesem, sondern zugleich auch 
allen anderen finanziell mehr oder minder gleichfalls bedrängten 
Einzgelstaaten zu gute kommen und aus der Klemme helfen würden. 
Der Reichskangler entschied sich seinerseits für das letztere und ent- 
warf dafür einen großartigen, nur allzu großartigen Plau, in dem 
er wiederum wie bei der Frage der Schutzzölle über das nächsle 
Bedürfnis weit hinausging und ein System ausstellte, für das er 
zwar wiederum schwerwiegende Interessen, in dieser Frage die Re- 
gierungen der Einzelstaaten und ihr dringendes Vedürfnis größerer 
Einnahmen ohne Erhöhung der ohnehin schon hoch gespannten di- 
rekten Steuern, gewann, dagegen mit den Anschauungen der Zeit 
und anderen Interessen in schärfsten Widerspruch geriet, den er we- 
nigsteus bis jetzt nicht zu überwinden vermocht hat. Nasch und 
nachdrücklich tauchte nun die Idee der Einführung des Tabakmono-= 
pols auch in Deutschland auf, das ja schon in Frankreich, in OÖster- 
reich und in Italien bestand, das kein nokwendiges Lebensbedürfnis 
bedrohte, sondern nur einen Gegenstand des Luxus, dem aber aller- 
dings in allen Ständen gleichmäßig gehuldigt wird, und dessen Er-
	        
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