562 Übersicht der politischen Enlwichelung des Jahres 1882.
nachgibt und zu Willen ist, wenn auch fortwährend zögernd und
zuweilen etwas hemmend. Ihr Ziel hat diese Majorität allerdings
noch nicht erreicht, aber die Bahn dagn ebnet sich von Jahr zu Jahr
mehr. Das Herrenhaus, das bisher immer noch für manches eine
Art Hemmschuh bildete, war mit Anfang des Jahres durch die
wiederholten Pärsschube so weit umgestaltet, daß die Regierung
Taaffe über dasselbe verfügen kann und die deutsche Opposition in
demselben ebenso machtlos und einflußlos ist, wie im Abgeordneten-
hause. Injolge davon errang denn auch die flavisch-ultramontane
Koalition in diesem Jahre zum erstenmal die Majorität in der
österreichischen Delegation und wurden die Schmerling und Herbst,
die vorher dort eine hervorragende Nolle spielten, beseitigt. Der
Großgrundbesitz, der in slerreich und zwar sowohl im Reichsrate
als in den Landtagen der verschiedenen Kronländer vielfach ein
ausschlaggebendes Element ist, wich mehr und mehr dem Einfluß
der Regierung und ging namentlich in Böhmen, wo er bisher auf
der deutschen und liberalen Seite stand, unter dem Einfluß der
Regierung in diesem Jahr seiner Mehrheit nach zu den Czechen
über. Durch die Erteilung des Wahlrechts an die sog. Fünfgulden=
männer endlich suchte die flavisch-ultramontanc Mehrheit die Reihen
ihrer Wähler zu verstärken und wird diesen Zweck wohl auch er-
reichen. Durch all das sicherte die flavische Majorität des Reichs-
rats die Grundlagen ihrer Herrschaft ganz wesentlich und konnte da-
rauf gestützt in den verschiedenen Kronländern um so energischer und
nachhaltiger an ihrer Konsolidation und ausschließlichen Herrschaft
arbeiten. Die böhmischen Czechen namentlich waren fortwährend eifrig
bemüht, innerhalb ihres Machtbereiches die deutschen Elemente aus-
zumerzen und wo das nicht möglich war, wenigstens lahm zu legen
und ebenso eifrig dafür besorgt, daß ja kein czechisches Kind einer
deutschen Schule und damit deutschem Einfluß und deutscher Vildung
anheimfalle; innerhalb ihres Machtbereichs soll nur czechisch gedacht,
czechisch gesprochen werden. Prag, das noch vor hundert Jahren für
eine deutsche Stadt galt und es auch war, ist jetzt weit überwiegend
eine czechische Stadt und die Stadtverwaltung betrachtet sich trotz
der 30,000 deutschen Einwohner als eine ganz czechische, auch sind
die Deutschen in ihr fast gar nicht mehr vertreten und nur durch
ein paar Israeliten, die eine nachhaltige Opposition nicht wagen
dürfen. Dagegen bildete die uralte deutsche Universität Prag bisher
noch einen starken Stützpunkt für das Deutschtum der Stadt und
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