566 übersicht der polilischen Enlwichelung des JZahreo 1882.
Mehrheit des Herrenhauses gescheitert war, brachte sie selbst zu An-
fang des J. 1882 eine Schulnovelle im Herrenhause, in welchem
sie inzwischen die Mehrheit durch ihre Pairsschübe umgewandelt
hatte, ein, welche die Dauer der allgemeinen Schulpflicht zwar nicht
formell, wohl aber thatfächlich von 8 auf 6 Jahre herabsetzte und
überdies die Herrschaft des Klerus in der Volksschule wenigstens
wieder anbahnte. Die Vorlage blieb zunächst aus geschäftlichen
Gründen bis in den Spätherbst hinein liegen und kam bis zum
Schlusse des Jahres überhaupt nicht mehr zur Erledigung; an ihrer
Annahme war indes bereits nicht zu zweifeln; darauf konnte Fürst
Liechtenstein allerdings mit Sicherheit, die Uhr in der Hand, zählen.
Dagegen kam eine andere tief eingreifende Frage, die auch in Deutsch-
land auf der Tagesordnung steht, noch vor Ende des Jahres zur
Entscheidung, eine Frage, in der sich Klerikale und Feudale, obgleich
sie ihre Interessen nicht direkte berührt, doch ganz besonders hervor-
thaten: es wurde dem Andrange des Kleingewerbes stattgegeben und
das Inslitut der Zwangsinnungen mit samt dem Befähigungsnach-
weise wiederhergestellt, wodurch die Gewerbefreiheit wesentlich einge-
schränkt, in Wahrheit geradezu abgeschafft erscheint, wofern der Be-
schluß so, wie ihn die Kleingewerbe verstehen, wirklich durchgeführt
werden kann, was immerhin noch sehr zweiselhaft sein dürfte. Wie
dem aber auch sein mag, beide Maßregeln sind entschieden reaktio-
näre, die den Anschauungen und der Entwickelung unserer Zeit di-
rekte ins Gesicht schlagen und wahrlich nicht geeignet, weder das
Wohlbefinden der österreichischen Vevölkerungen noch die Macht des
Reiches zu fördern und zu heben; denn die eine kann nur dahin
führen, das namentlich in den flavischen Provinzen ohnehin nicht
allzu hohe Bildungsniveau noch mehr herabzudrücken, während die
andere die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Industrie not-
wendig gefährdet, wenn sie, wie gesagt, überhaupt wird durchgeführt
werden können. Für die letztere ist es daher ein geringer Trost,
daß im Sommer 1882 durch Vereinbarung zwischen den Regierungen
beider Reichshälften von beiden Parlamenten ein neuer Zolltarif
beschlossen wurde, der auf dem System der Schutzzölle beruht und
insoweit dem Vorgange Deutschlands folgt, wie er denn auch wesent-
lich gegen Deutschland, das industriell vielfach mit Ssterreich kon-
kurriert, gerichtet ist.
Das Deutschtum hat in den letzten Jahren und unter dem
System des Grafen Taasse, das als seine Devise und Richtschnur