Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

Uberscht der polilischen Entwichelung des Jahres 1882. 573 
Grenze an bis zur Mündung derselben und der Anschluß der türki- 
schen Bahnen von Konstantinopel und Salonichi aus an die öster- 
reichischen sind Forderungen, welche mit den kommerziellen Lebens- 
interessen Isterreichs auf engste verknüpft sind. Weder die eine 
noch die andere hat es im Laufe des Jahres 1882 durchzusetzen 
vermocht. Alle die seit 1878 selbständig gewordenen Balkanstaaten 
von Numänien und Montenegro bis nach Östrumelien hinunter 
haben offenbar wenig Lust. früher oder später von Rußland einfach 
verschlungen zu werden und sind bemüht, ihre Unabhängigkeit und 
ihre Eigenart auch gegen das großrussische Wesen zu behaupten und 
nach und nach auszuprägen. Aber als, mit Ausnahme Rumäniens, 
durchaus flavische Stämme und bei der ungewissen Zukunft aller dor- 
tigen Dinge gravitieren sie doch naturgemäß zumeist nach Nußland 
und schließen sich in dem MWiderstreit zwischen den Interessen der 
Türkei, Esterreichs und Nußlands doch vorzugsweise an dieses an, 
dem sie ihre Unabhängigkeit verdanken und das auch keine Gelegen- 
heit versäumt, sie aufs nachdrücklichste daran zu erinnern, und frisch- 
weg thatsächlich eine Art Protektorat über dieselben in Anspruch 
nimmt. Das kleine, arme und zudem noch halb barbarische Mon- 
tenegro geberdet sich als der ausgesprochene Vasall und Schützling 
Nußlands, sitzt Österreich in fast unerträglicher Weise in der Flanke 
und bereitet ihm alle nur möglichen Schwierigkeiten, gegen welche 
Ö sterreich ein Auge und oft beide Augen zudrücken muß, um nicht 
mit Rußland in Kouflikt zu kommen und nicht selber den Funken 
in die Pulvertonne, als welche sich diese Verhällnisse vielfach dar- 
stellen, zu werfen. Rumänien hat eine schwierige Stellung zwischen 
Rußland und Ssterreich, um nicht dem unbedingten Einfluß des 
einen oder des anderen anheimzufallen, gebärdet sich aber gerade 
gegenüber Österreich in der Donaufrage wie eine Großmacht, die es 
doch ganz und gar nicht ist, und setzt Ssterreich einen Widerstand 
entgegen, den dieses immerhin nicht leicht zu bewältigen im stande 
sein wird. Der Fürst von Vulgarien ist staatsrechtlich der Vasall 
des Sultaus, thatsächlich ein solcher Rußlands, aus dessen Hand er 
russische Generale als seine Minister für die wichtigsten Verwaltungs- 
zweige entgegennehmen muß, wenn er nicht mit dem russischen Ge- 
neralkonsul in beständige Konflikte geraten will; sein kleines Heer 
wird von russischen Offizieren gedrillt und kommandiert. Die Par- 
teien, die sich im Lande gebildet haben und von denen die eine sich 
konservativ, die andere liberal nennt, unterscheiden sich im Grunde
	        
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