Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 11.) 39
v. Stauffenberg beantragt Übergang zur Tagesordnung, „weil kein Grund
bestehe, jetzt neue Formen der Tabakbesteuerung in Betracht zu ziehen“, mit
der Erklärung, daß er, wenn dieser sein Antrag abgelehnt werden sollte,
auch seinerseits für den Antrag Schels stimmen würde.
In der Debatte betont Schels (ultr.), daß er hauptsächlich aus
politischen Gründen gegen das Monopol sei. Durch dasselbe würde die
Reichsregierung unabhängig von der Volksvertretung; ein persönliches Re-
giment würde die Folge sein. Er fürchtet auch, daß in Berlin die Ent-
wicklung des Reiches zum Einheitsstaat angestrebt werde. Bonn (ultram.)
erklärt sich für den Antrag Schels, weil die Fraktion der Rechten in ihrem
Programm die Erhaltung des föderativen Charakters des Reiches verlange
und dieser Charakter durch das Monopol gefährdet werde. Dem Antrag
Schels werde er auch deßhalb beistimmen, weil die Mehrheit kein Vertrauen
zum (bayer.) Ministerium habe. Kopp (ultram.) stellt sich auf den Stand-
punkt Bonns und erklärt: die Rechte greife nicht die Rechte der Krone, son-
dern nur das Ministerium an, welches von den bayerischen Hoheitsrechten
eines nach dem anderen preis- gegeben habe und im Begriffe stehe, auch noch
die letzten nach Berlin auszuliefern. v. Fischer (lib.) erklärk, keinem von
beiden Anträgen zustimmen zu können, da er die Überzeugung habe, daß
das Tabakmonopol nicht nur kommen werde, sondern kommen müsse.
v. Hörmann ((ib.) teilt die Anschauungen Fischers; er halte das Tabak-
monopol für ein absolutes Erfordernis für das Reich und den Bestand der
Einzelstaaten. Schels (ultr.) glaubt schließllich, die Debatte sei eigentlich
eine Adreßdebatte geworden, durch die seine Opposition verstärkt worden sei.
Es würde die Position der bayerischen Regierung viel günstiger sein, wenn
sie gegen den Allgewaltigen in Berlin in eine richtige Opposition träte.
Möge dieß bei der Tabakmonopol-Vorlage geschehen und das Ministerium
dem König erklären, daß jene Vorlage nichts anderes bedeute als einen wei-
teren Nagel zum Sarge der Dynastie Wittelsbach.
11—17. Februar. (Preußen.) Abg.-Haus: kirchenpolitische
Kommission: die Vorlage der Regierung (s. 16. Jannar) wird meist
durch eine Koalition der ultramontanen und konservativen Mit-
glieder derselben gegen die freikonservativen und liberalen mit 11
gegen 10 Stimmen total umgewandelt resp. verstümmelt. Die dis-
kretionäre Gewalt der Regierung wird wesentlich ganz ausgemerzt,
der Bischofsparagraph im Sinne des Zentrums noch verstärkt, das
sog. Kulturexamen ganz abgeschafft, das Institut der sog. Staats-
pfarrer beseitigt und die Anbahnung einer neuen Regelung der An-
zeigepflicht und des Placets abgelehnt. Das so zustande gekommene
Resultat, in Wahrheit ein bloßer Torso, ist eigentlich weder für die
Regierung noch für irgend eine der verschiedenen Parteien ganz an-
nehmbar. Die Kommission beschließt denn auch, eine zweite Lesung
der Vorlage vorzunehmen.
In der bei dieser ersten Lesung beschlossenen Fassung würde das
Gesetz lauten: (Art. 1 ist in der Fassung der Vorlage und in allen Mo-
diftkationsanträgen abgelehnt. Art. 1 a. In denjenigen Fällen, in welchen
auf Grund des § 24 des Gesetzes vom 12. Mai 1873 und des § 12 des Ge-
setzes vom 22. April 1875 auf Entlassung aus dem Amte erkannt ist, wer-