Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

40 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 11.) 
den die rechtlichen Folgen der ergangenen Erkenntnisse auf die Unfähigkeit 
zur Bekleidung des Amtes und die im Art. 2, Abs. 2 und 3 des Gesetzes 
vom 14. Juli 1880 aufgeführten Folgen beschränkt, unbeschadet einer in- 
mittelst erfolgten Wiederbesetzung des Amtes. Art. 2. Hat der König einen 
Bischof, gegen welchen auf Grund der §§ 24 ff. im Gesetz vom 12. Mai 
1873 durch gerichtliches Urteil auf Entlassung aus dem Amte erkannt wor- 
den ist, begnadigt  so bedarf es für denselben einer erneuten Anerkennung 
als Bischof einer Diözese nicht. Art. 3. Das für Bekleidung eines Amtes 
im Gesetz vom 11. Mai 1873, § 4 und 8, vorgeschriebene Erfordernis der 
Ablegung einer wissenschaftlichen Staatsprüfung ist aufgehoben. Der Kultus- 
minister ist ermächtigt, von den übrigen Erfordernissen des § 4 und von 
dem Erfordernisse des § 11 im gedachten Gesetze zu dispensieren, auch aus- 
ländischen Geistlichen die Vornahme von geistlichen Amtshandlungen oder 
die Ausübung eines der im § 10 erwähnten Ämter zu gestatten. Die 
Grundsätze, nach welchen dieß zu geschehen hat, sind vom Staats- ministerium 
mit königlicher Genehmigung festzustellen. Art. 3a. Die Ausübung der in 
den §§ 13 ff. des Gesetzes vom 20. Mai 1874 und in dem Art. 4 ff. des 
Gesetzes vom 21. Mai 1874 (Gesetzsammlung S. 139) den Präsentations- 
berechtigten und der Gemeinde beigelegten Befugnis zur Wiederbesetzung 
eines erledigten geistlichen Amtes und zur Einrichtung einer Stellvertretung 
in demselben (der sog. Staatspfarrer) findet ferner nicht statt. (Art. 4 u. 5 
der Vorlage sind abgelehnt.) 
Die Haltung der Regierung in der Kommission gegenüber den Be- 
strebungen der Ultramontanen, die von den Konservativen wesentlich unter- 
stützt werden, ist eine reservierte oder vielmehr unsichere und unklare. 
Über die Instruktionen des Hrn. v. Schlözer in Rom gibt der Kultminister 
v. Goßler in der ersten Sitzung der Kommission folgende Erklärung ab. 
Der Abg. Windthorst hatte gefragt: 1) Verhandelt die Staatsregierung 
direkt durch Herrn v. Schlözer oder anderweit mit der Kurie über die ma- 
terielle Revision der Maigesetze mit der ernsten Absicht eines Abschlusses? 
2) Wenn dieß nicht der Fall, soll das, was in der Vorlage vorgeschlagen 
wird, dauernden Charakter haben, oder ist es die feste Absicht, in nächster 
Zeit eine Revision der Maigesetze zu beantragen? Darauf antwortet Hr. 
v. Goßler: ad 1) Herr v. Schlözer ist ermächtigt, mit der Kurie über die 
gegenwärtige Vorlage zu unterhandeln; er wird bei günstigem Verlaufe 
voraus- sichtlich auch die Vollmacht haben, weitere Besprechungen zu führen. 
Die Staatsregierung steht auf dem bei der ersten Lesung des Entwurfs be- 
tonten Grundsatz, daß mit der formal einseitigen Regulierung der Grenze 
zwischen Staat und Kirche die materielle Verständigung mit der Kurie nicht 
ausgeschlossen sei. ad 2) Ein Teil der Vorschläge, insbesondere § 4, ist 
bereits jetzt dauernden Charakters, ein anderer naturgemäß diskretionär. 
Weiter zu gehen als die Vorlage, ist die Regierung zur Zeit nicht in der 
Lage. Auf die Erwiderung des Abg. Windthorst, daß hiernach auf eine 
grundsätzliche Revision nicht zu rechnen sei, erwidert der Minister, daß die 
Möglichkeit einer organischen Revision an sich nicht ausgeschlossen sei, daß 
aber die Vorlage zur Zeit das Äußerste darstelle, worüber eine Verstän- 
digung denkbar sei. Abg. Brüel konstatiert, daß der Gedanke einer rein 
interimistischen Geltung der jetzigen Vorlage jetzt mehr als 1880 zurücktrete, 
wogegen der Kultusminister sich gegen jede Schlußfolgerung aus seinen 
Äußerungen verwahrt, welche mit dem Wortlaut derselben sich nicht decken. 
Die Debatten der Kommission, die eine Reihe von Sitzungen in 
Anspruch nahmen und zum Teil sehr animiert waren, machen den Eindruck 
großer Verworrenheit und daß im Grunde außer der ultramontanen Partei
	        
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