Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 28.) 49
der Überwachung des Tabakbaues nicht ein. Die derzeit bestehenden Tabak-
industriebezirke bleiben erhalten, und nur einige unerläßlich notwendige
Gliederungen werden vorgenommen werden. Zahlreiche Fabrikfilialen neben
großen Hauptfabriken sind in Aussicht genommen; soweit tunlich, bleibt
die Hausindustrie erhalten. Die in Aussicht genommenen Preise enthalten
keine Verteuerung gegen gegenwärtige Preise; dafür bleibt aber auch der
Monopolertrag gegen den französischen zurück. Der Rein- (Netto-) Ertrag
des Monopols ist auf jährlich effektiv 165,5 Millionen veranschlagt.
Die gesamte Gestaltung und Überwachung des Tabakbaues sowie die Auf-
stellung der Detailverkäufer soll Landesangelegenheit sein, die Fabrikation
dagegen und die Oberleitung der Monopolverwaltung Reichs- angelegenheit.
Durch die Erträgnisse des Monopols wird es namentlich auch möglich sein,
die Kommunalverbände zu entlasten und ihnen für ausgiebige Verwendungen
insbesondere auf dem Gebiete des Unterrichts- wesens und der Armenpflege
staatsseitig Mittel zuzuwenden. Die Monopolverwaltung wird sich von
vornherein auf die bestehende Industrie stützen und bestehende Fabriken in
genügender Anzahl erwerben oder mieten; auf die Dauer werden ca. 30
große Fabriken mit gemischtem Betriebe, ca. 130 Fabrikfilialen für Zigarren-
fabrikation mit zusammen ca. 80.000 Arbeitern, sowie ca. 35 Magazine,
resp. Magazinverwaltungen nötig sein. Die Befugnis, Tabakfabrikate ein-
zuführen, muß die Monopolverwaltung für sich in Anspruch nehmen, nament-
lich also auch den Import echter Havanna Zigarren; auf Reisende und
Fremde wird durch Entgegenkommen möglichst Rücksicht genommen werden.
Das Tabakmonopolgesetz soll spätestens im Juli oder August 1882 publiziert
werden, dagegen scheint die Fortdauer des bisherigen Handels mit Tabak-
fabrikaten bis 1. Januar 1884 geboten. Den Tabakfabrikanten, den Händ-
lern mit Rohtabak und Fabrikaten, sowie dem technisch gebildeten Hilfs-
personal und den technisch gebildeten Tabakarbeitern wird bei Einführung
des Monopols für die dadurch entstehenden Vermögensnachteile eine Schad-
loshaltung zuerkannt, entweder als Entschädigung oder als Vergütung.
Der Unterschied zwischen beiden besteht darin, daß der Anspruch auf Ver-
gütung durch die Übernahme oder unbegründete Ablehnung einer Stelle im
Dienste der Monopolverwaltung verloren geht, so daß für die betreffenden
Personen eine mittelbare Nötigung zum Eintritt in diesen Dienst besteht.
Eine Schadloshaltung sollen nur die erhalten, welche mindestens 5 Jahre
ausschließlich oder überwiegend vom Tabakgeschäft Erwerb gezogen haben;
für Fabrikanten, welche ihre Fabriken der Monopolverwaltung freihändig
verkaufen, wird die Schadlos- haltung im Ankaufspreis enthalten sein. Die
Berechnungen über zu gewährende Entschädigungen können schätzungsweise
sein. Als Realentschädigungen für Fabrik= und Magazingebäude sind in
maximo 40 Millionen Mark angenommen. Als Personalentschädigungen an
Tabakfabrikanten sind 59 ¼ Millionen, an Rohtabakhändler 6.400.000 Mark
veranschlagt. Als Personalvergütungen. sind angenommen: Für Fabrik-
direktoren, Agenten. Makler und ferner für Werkmeister, Aufseher u. s. w.
27,75 Millionen Mark und für technisch gebildete Tabakarbeiter, von denen
höchstens 8.000 Verwendung in den Fabriken der Monopolverwaltung finden
würden, 21 Millionen Mark und außerdem an Händler mit Tabakfabrikaten
33.600.000 Mark. An Unterstützung sind noch 25 Millionen Mark vorgesehen, so
daß als Beträge an Entschädigungen etc. insgesamt 213 Millionen Mark ver-
anschlagt sind. Um jedoch allen Verhältnissen in möglichst sichernder Weise
Rechnung zu tragen ist ein Zuschlag von 10 Prozent = 21.300,000 Mark
eingestellt, mit dem die Gesamtsumme an Entschädigungen, Vergütungen und
Unterstützungen die Summe von 234.300.000 Mark ergeben würde. Der Vor-
Schulthess, Europ. Geschichtskalender. XXIII. Bd. 4