Full text: Europäischer Geschichtskalender. Dreiundzwanzigster Jahrgang. 1882. (23)

60 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 3—4.) 
Fazit der Erfahrungen, die er im Ständehaus in München gesammelt, da- 
hin gezogen: „In Bayern ist es so: Jemehr Sie einen Minister bekämpfen“ 
— Sie, die Ultramontanen „desto mehr befestigen Sie ihn.“ (Lachen 
rechts). Ich glaube Jörg hat Recht gehabt in diesem Punkt, und die Er- 
fahrungen, die Sie hier in den letzten Monaten gemacht, haben ihm Recht 
gegeben. Dafür können Sie mich nicht verantwortlich machen, wenn Sie in 
ihren Wahlprogrammen den -Sturz dieses Ministeriums" wiederholt ver- 
kündet haben. (Widerspruch und Lärm rechts ) Ja, Sie würden sich viel 
leichter tun, wenn Sie nicht dem Volke Dinge versprochen hätten, die Sie nie 
und nimmer halten können. (Widerspruch und großer Lärm rechts.) Jawohl, 
lesen Sie Ihre Programme! (Pfahler ruft: Wo? Wann?) Wenn ich gewußt 
hätte, Herr Pfahler, daß mich Herr Kopp heute in dieser Weise provoziert, 
so hätte ich einen Bündel „Wahlprogramme hereingeschleppt und Ihnen den 
Beweis geliefert, daß Sie Dinge versprochen haben, die ein vernünftig denken- 
der Mensch nicht halten kann. (Große Unruhe rechts. Verschiedene erregte 
Zwischenrufe. Der Präsident bittet, das gegenseitige Interpellieren zu unter- 
lassen, es führe nur zur Unordnung) Es war mir von Anfang an klar, 
daß wir vermittelst Budgetabstriche das Ministerium nicht stürzen können, 
im Gegenteil, ich habe erklärt, daß wir auf diesem Wege dem Ministerium 
kein Haar krümmen, sondern bloß die materiellen Interessen unserer Wähler 
schädigen werden. Wenn das Politik genannt zu werden verdient, dann 
verstehe ich nicht was Politik heißt. (Pfahler ruft: Ich glaube auch!.) Eine 
Partei, die seit zwölf Jahren in diesem Saale und in der Presse verkündet 
hat, sie erstrebe den Sturz des Ministeriums und es nicht weiter gebracht 
hat, als Sie wissen, sollte nicht immer diese Phrase in den Mund nehmen 
vom Minister stürzen! Erinnern Sie Sich doch noch, vor sechs Jahren, da 
machten Sie eine Adresse, die so und so beantwortet wurde. Sie haben dann 
hochtrabend erklärt, Sie treiben ihre Opposition fort und zwar wie? Sie 
werden, sagten Sie, nur das Allernotwendigste bewilligen, schließlich aber 
haben Sie dem Ministerium mehr bewilligt als es verlangt hat. (Sehr gut! 
links.) Wenn die Tatsachen sich so verhalten, dann sollte man mit Vor- 
würfen gegen einen andern etwas vorsichtiger sein als Herr Kopp es ist. 
Herr Kopp schüttelt den Kopf; trotzdem imponiert er mir nicht, ich fürchte 
mich vor Herrn Kopp und seinen Provokationen ganz wenig. (Lachen rechts.) 
Wenn man mir jetzt zum Vorwurf macht, daß ich nach dem, was ich früher 
in diesem Hause erfahren habe und sagte, zur Verständigung rate, so muß 
ich Ihnen sagen, daß Sie eigentlich dem gesunden Menschenverstand einen 
Vorwurf machen. (Pfahler ruft etwas dazwischen.) Ich achte auf die Zu- 
rufe Pfahler's nicht mehr. Ich habe den Vorzug in diesem Punkte, daß ich 
dieses Wort schon vor einem Jahre ausgesprochen habe, freilich damals unter 
dem Halloh Ihrer gesamten Presse. Allein mich geniert es nicht, allein zu 
stehen auch in der Presse. Alterieren Sie Sich nicht; ich stehe nicht allein, das 
Bedürf- nis nach einer Verständigung und nach Ruhe im Land ist viel größer, 
viel intensiver, als Sie glauben! (Sehr wahr! links.) Lassen Sie es nicht, ich 
gebe Ihnen mein Wort, auf eine Probe ankommen! Sie können es übrigens 
darauf ankommen lassen. Unternehmen Sie einen kühnen Schritt, legen Sie 
die Mandate nieder! (Gelächter rechts.) Aber eben hat Herr Kopp gesagt, 
daß Sie das nicht tun wollen. Entweder — oder! Da ruft mir jemand 
zu: Das Ministerinm soll die Kammer auflösen! Ja, Sie können das Mini- 
sterium zwingen und hätten es können, wenn Sie den Mut dazu gehabt 
hätten. (Lärm rechts.) Man muß die Dinge nehmen, wie sie in Wirklich- 
keit liegen, nicht wie man sich dieselben einbildet. Ich  bin erstaunt, daß 
man eine Verständigung perhorresziert, nachdem im Finanz- ausschusse die 
Herren Dr. Daller und Dr. Rittler doch auch so ziemlich im Sinne einer
	        
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