160 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 28.)
bahnverstaatlichungsvorlage der Regierung an eine Kommission von
21 Mitgliedern.
Die Vorlage ist von einer einläßlichen Denkschrift begleitet. Es
handelt sich Innächst um übernahme 1) der Oberschlesischen, 2) der Breslau=
Schweidnitz-Freiburger, 3) der Rechten Oder- Ufer-, 4) der Posen- Kreuzburger
und 5) der Altona-Kieler Eisenbahn, ferner um den Erwerb des im Fürsten-
tum Schaumburg-Lippe belegenen Teils der Hannover-Mindener Eisenbahn.
über den Erwerb dreier weiterer Bahnen, der Tilsit-Insterburger, Öls-Gnesener
und Berlin- „Hamburger Eisenbahn, liegen Generalversammlungebeschlüsse noch
nicht vor. Die Vorlage erwähnt dieser Linien und bemerkt in den Motiven.
„daß mit dem Erwerb dieser acht Linien für den Staat die Durchführung
des Staatseisenbahnsystems im wesentlichen ihren Abschluß erreicht haben
wird."“ Diesem Satze geht folgende bemerkenswerte Motivierung voraus:
„Unter den noch verbleibenden inländischen Privatbahnen befindetk sich ein
Teil in der Verwaltung des Staates für Rechnung der betreffenden Gesell=
schaften, ohne daß die Sonderinteressen der letzteren zur Zeit eine Lösung
dieses Verhältnisses geboten erscheinen lassen ein anderer Teil, aus Neben-
linien und untergeordneten Verbindungen der vorhandenen Hauptbahnen be-
stehend, dient nicht dem großen Verkehr ein dritter Teil gehört zwar zu
der Kategorie der Hauptbahnen, die Belassung derselben im Privatbetriebe
bietet jedoch zur Zeit kein zu erhebliches Hindernis für die einheitliche Ge-
staltung der Betriebs= und Verkehrsleitung auf den großen Transportlinien
der vaterländischen Eisenbahnen. Die etwaige künftige Erwerbung einzelner
der diesen drei Gruppen angehörenden Privatbahnen ist daher im allgemeinen
nicht sowohl eine Frage der Eisenbahnpolitik, als vielmehr eine Frage der
praktischen Zweckmäßigleit, deren Erwägung und endliche Lösung dem ge-
eigneten Zeitpunkt vorbehalten. bleiben kann.“ Die auf den Staat über-
gehenden Fonds der zunächst in Frage kommenden sechs Bahnen betragen,
nach Abzug von 2,326,400 .M Entschädigungen, 49.110,342 „M Nach einer
der Vorlage beigegebenen übersicht sind „für die Aktien der bereits auf den
Staat übergegangenen Bahnen und derjenigen Privatbahnen, deren staats-
seitiger Erwerb vorbereitet ist“, Staateschuldverschreibungen in Höhe von
1,821, 196, 652 . M. (davon rund 1810, 84 Mill. . M proz. und 10,35 Mill. M
4½ proz.) auszugeben. Der Entwurf ermächtigt die Staateregierung zur Aus-
gabe von 427.490,500 M 4 prozentiger Konsols zum Umtausche von Aktien
resp. Entschädigung der Lippe'schen Regierung; ferner zur Verwendung von
8,944,500 aus den Fonds der betreffenden Eisenbahnen zu den auf die
Aktien einiger Bahnen zu leistenden Zuzahlungen; weiter zur eventuellen
Emission von 42, 232, 900 M Schuldverschreibungen zur Deckung der Kosten
für die den einzelnen Bahnen konzessionierten und noch nicht gebauten Linien.
Endlich wird die Vollmacht Aur Kündigung von 359,820,300 M Anleihen
der Gesellschaften beantragt. Diese sollen zur Rückzahlung bez. zum Umtausch
gegen Staatsschuldverschreibungen gekündigt werden. Das preußische Staats-
bahnnetz hat! jetzt eine Ausdehnung von 15,695 km, das Privatbahnnetz von
5965 km. Von letzteren werden aber 2110 km vom Staate für Rechnung
der Gesellschaften betrieben. Es bleiben also thatsächlich nur 3825 km oder
17.60 Proz. unter Privatverwaltung, und diese verteilen sich auf eine so
große Zahl von Linien, daß sie auf Selbständigkeit keinen Anspruch mehr
machen können. Das Staatsbahnsystem erscheint also thatsächlich so gut wie
abgeschlossen.
28. November. (Baden.) II. Kammer: Debatte über den
Erlaß des Staatsministers Turban an die Beamten vor den Wahlen,