Full text: Europäischer Geschichtskalender. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1883. (24)

Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 6- 7.) 39 
Regierung aufgefordert wird, ein Elementarlehrer-Pensionsgesetz vor- 
zulegen. 
Der Finanzminister Scholz erklärt: „Der gesetzlichen Regelung der 
Angelegenheit der Lehrer wende die Regierung. das lebhafteste Interesse zu; 
es liege aber in der Natur der Sache, daß auf diesem Gebiete nur langsam 
vorgeschritten werden könne. Durch das in Aussicht gestellte Schuldotalions- 
gesetz wolle der Staat etwa die Hälfte der gesamten Schullasten übernehmen. 
Dazu müßten aber große Mittel disponibel sein, welche durch Fortsetzung 
der Reichssteuerpolitik beschafft werden würden. Die Linke ruft hört!, worauf 
der Minister bemerkt: „Ja. meine Herren, neue Ausgaben  bewilligen, ohne 
neue Einnahmen zu schaffen. dar Kunststück werden Sie auch nicht fertig 
bringen!“ Hiefür und für die Durchführung des Dotationsgesetzes müssen 
allerdings erst die Mittel beschafft werden. Aber der Versuch, aus diesen 
traurigen Verhältnissen heraus zukommen, wird mit aller  Loyalität gemacht: 
„Wir wollen sehen, wie weit wir mit Ihrer Hülfe kommen.“ 
Hierauf wird das Etatsgesetz und das Anleihegesetz ange- 
nommen und damit die zweite Beratung des Etats abgeschlossen. 
6. März. (Deutsches Reich.) Der Kaiser genehmigt das 
vom Bundesrat beschlossene Verbot der Einfuhr von Schweinen, 
Schweinefleisch und Würsten amerikanischen Ursprungs troß aller 
Remonstrationen der Regierung der Verein. Staaten und ihres Ver- 
treters in Berlin. Der Reichskanzler richtet gleichzeitig ein Schreiben 
an den Bundesrat, in welchem die zweckmäßigste Art erörtert wird, 
um der Einführung derartiger amerikanischer Ware nach Deutsch- 
land über andere Länder durch Ursprungszeugnisse entgegenzutreten. 
7. März. (Deutsches Reich.) Einem Besuch des Prinzen 
von Wales am kaiserlichen Hofe wird diesmal besondere Bedeutung 
beigelegt. 
Die Aufnahme des Prinzen soll diesmal ungewöhnlich herzlich ge- 
wesen sein und der Kaiser mit besonderer Vorliebe mit dem Prinzen verkehrt 
haben. Der Kaiser verleiht ihm auch das Blücher-Husarenregiment und der 
Prinz beschenkt die Husaren derselben mit Dolmans zu ihren roten Attilas, 
nachdem er dazu die Erlaubnis des Kaisers eingeholt. Auch überreicht der 
Kaiser selbst dem Prinzen die Insignien der Feldmarschallswürde, mit der er 
in England bekleidet ist. Im Herbst soll der Prinz wieder herüberkommen 
und an den großen Kaisermanövern bei Homburg teilnehmen. Diese mehr- 
fachen  Auszeichnungen fallen auf. 
7. März. (Deutsches Reich.) Der Kriegsminister v. Kameke 
wird entlassen und an seine Stelle der General Bronfart v. Schellen- 
dorf ernannt. Gleichzeitig scheidet der Generallieutenant v. Verdy 
du Vernois aus dem Kriegsministerium aus und wird zu ander- 
weitiger Verwendung gestellt. Die Zurdispositionsstellung desselben 
gilt als Beweis, daß der Rücktritt v. Kameke's nicht bloß einen 
Personen-, sondern auch einen gewissen Systemwechsel bedeute. 
Eine unter dem 8. März erlassene Ordre des Kaisers an Kameke