Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Aug. 11—14.) 85
gegründete Bund besteht jetzt aus 81 Korporationen und 5341 Mit-
gliedern.
Auch in Regensburg bleibt es mehr bei allgemeinen Redensarten, als
daß es zu klar und bestimmt formulierten Beschlüssen kommt. Die Ver
handlungen betreffen wie immer: Anstrebung obligatorischer Innungen, Ein-
führung der Arbeitsbücher für alle Gesellen ohne Unterschied, größte Be-
schränkung des Hausierhandels und der Konsumvereine, Beseitigung der
Wanderlager und Wanderauktionen, sowie der gewerbsmäßigen Verauktionierung
neuer Handwerkserzeugnisse, Regelung des Submissionswesens, der Sträflings-
arbeit und der Militärwerkstätten. Der einzige Beschluß von positivem Werte
geht dahin, die Errichtung von Herbergen für zugereiste Gesellen zu empfehlen,
wenn er ausgeführt wird. Als künftiger Vorort wird einstimmig Nürnberg
bezeichnet. Opferwillig scheinen die Handwerker für ihre Sache gerade nicht
zu sein. Der deutsche Handwerkerbund zählt angeblich 40,000 Mitglieder,
in denen jedoch bloß 16.000 den Jahresbeitrag von 10 ct. bezahlt haben,
ohne daß nachgewiesen werden konnte, wer bezahlt und wer nicht bezahlt
hat. Der allgemeine deutsche Handwerkerbund hat trotzdem beschlossen, den
Jahresbeitrag von 10 auf 20 ct. zu erhöhen. In Regensburg wurde dieser
Beschluß vielfach sehr bedauert, weil zu befürchten stehe, daß die meisten
bayerischen Mitglieder sich dadurch veranlaßt sehen könnten, aus dem allge-
meinen deutschen Handwerkerbund wieder auszutreten.
11. August. (Preußen.) Der vor einigen Tagen zum ge-
wohnten Urlaub aus Rom in Berlin angekommene preußische Ge-
sandte beim Vatikan, v. Schlözer, geht zur Berichterstattung nach
Varzin. Die Verhandlungen mit Rom stocken fast gänzlich und
werden von beiden Seiten sehr lau nur fortgesetzt, um sie nicht
geradezu völlig abzubrechen.
13.—14. August. (Deutsches Reich.) Angra Pequenna und
das ganze afrikanische Küstengebiet zwischen 26° Südbreite und Kap
Frio, mit Ausschluß der in englischem Besitz befindlichen Walfisch-
bay, werden durch Aufhissen der deutschen Flagge unter den Schutz
des deutschen Reiches gestellt.
Unmittelbar darauf wird mit dem Häuptling ein Vertrag abge-
schlossen und unterzeichnet, wonach die ganze Seeküste vom 26. bis zum
Grad südlicher Breite, 20 geographische Meilen landeinwärts, inklusive
aller Baien und Buchten außer der Walfischbai der Firma F. A. E. Lüderitz
in Bremen gehört. Ganz Namaqua- und Damara-Land soll unter deutsches
Protektorat gebracht und sollen die Hilfsquellen dieser Länder von einer Ge-
sellschaft nach dem Muster der Nord-Borneo-Kompagnie entwickelt werden.
Die Leitung der Kompagnie wird von 12 Direktoren besorgt, deren Präses
Hr. Lüderitz ist. Von dieser Gesellschaft wird ferner eine Art Vertrag mit
der in jenen Landstrichen schon seit 40 bis 50 Jahren thätigen Rheinischen
Missionsgesellschaft abgeschlossen, von deren dort anwesenden Mitgliedern ihr
für ihre civilisatorischen Bestrebungen der Beistand der Missionsgesellschaft
unter gewissen Bedingungen zugesagt wird.
15.—19. August. (Deutsches Reich.) Der österreichische Mi-
nister des Auswärtigen, Graf Kalnoky, konferiert in Varzin mit
dem Reichskanzler.