90 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 11—14.)
nahme einer solchen Stelle wird von mir nur dann erteilt werden, wenn
zwischen der zuständigen Behörde und mir ein Einverständnis über die Be-
setzung der in Frage stehenden Stelle erzielt worden ist."
11. September. (Preußen.) Das Direktorium und der Aus-
schuß der Welfenpartei in Hannover erlassen eine Erklärung, wonach
die Partei keine Ursache habe, ihr bisheriges politisches Verhalten
zu ändern, und die dahin gipfelt:
„Immer stärker und in immer weiteren Kreisen des deutschen Volkes
bricht sich die Erkenntnis Bahn, daß die Aufrechterhaltung eines ungetrübten
Rechtsbewußtseins und insbesondere die Wiedergewinnung der Rechte, wie
sie unseren Fürsten und unserem Volk bis zum Jahre 1866 zugestanden,
eine sichere Bürgschaft gibt für eine heilsame Entwicklung deutschen Lebens
in Volk und Staat. Auf den wichtigsten Posten zur Verteidigung des deut-
schen Rechts gestellt, erstreben wir Hannoveraner demgemäß mit allen gesetz-
lichen Mitteln die Wiederherstellung der Selbständigkeit unseres Landes unter
seinem angestammten Fürstenhause. Wir bereiten damit den Boden für eine
deutsche Partei, die sich auf Geschichte und Recht gründet und eine Freiheit
erstrebt, welche, neben den idealen Gütern, auch die Interessen aller Stände
zu sichern geeignet ist. Das Recht ist nie verloren, solange dasselbe noch
Glauben und Mut, es zu verteidigen, findet.“ In den breiteren Schichten
der Bevölkerung nimmt indes die Partei doch von Jahr zu Jahr ab.
13. September. (Deutsches Reich.) Der Reichskanzler kon-
feriert lebhaft mit dem französischen Botschafter v. Courcel über
ein Zusammengehen zwischen Frankreich und Deutschland in Kolonie-
fragen überhaupt und speziell in der Frage, die weitere Kolonisierung
Afrikas international zu ordnen.
14. September. (Deutsches Reich.) Landesversammlung der
nationalliberalen Partei in Hannover. Dieselbe ist von ca. 600
Personen aus allen Landesteilen besucht. Der Landesdirektor Rud.
v. Bennigsen hält dabei eine Art sehr bedeutsamer Programmrede,
in der er als ein Haupthindernis für die Bildung einer festen und
ausreichenden, aus Liberalen und Konservativen bestehenden Mittel-
partei zur Unterstützung des Reichskanzlers gegen das radikale Extrem
in seinen verschiedenen Schattierungen, den Einfluß und das Uber-
gewicht der reaktionären Elemente in der preußischen Regierung unter
der Führung des Ministers des Innern v. Puttkamer, den er indes
nicht nennt bezeichnet.
Mit scharfen Zügen zeichnet v. Bennigsen zuerst alle die von den
Radikalen namentlich der Fortschrittspartei bei und seit der Wiederaufrich-
tung des Reichs gemachten zahlreichen Fehler und Mißgriffe und fährt dann
fort: „Es ist dahin gekommen, daß der mächtigste Mann in Europa seit
Jahren außer stande sich befindet, im Reichstage des deutschen Reiches auf
eine feste Mehrheit zu rechnen, mit welcher er nach einem bestimmten Plane
die Leitung der inneren Reichspolitik fördern kann. Wenn daran auch viele
Dinge Schuld haben und die Parteien keineswegs von Schuld freizusprechen