Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 10. - 12.) 11
und alle diejenigen Fragen, die jetzt zwischen uns und England streitig sind,
sind nicht von der Wichtigkeit, um einen Friedensbruch zwischen uns und
England weder drüben, noch auf dieser Seite der Nordsee zu rechtfertigen,
und ich wüßte nicht, was sonst zwischen uns und England für Streitigkeiten
entstehen könnten; sie sind nie gewesen. Wir sind, so viel ich mich rückwärts
erinnere, einmal im Leben mit England im Kriege gewesen, das war im
Jahre 1805—1806. Ich will die Data hier nicht präzisieren, aber das war
eine vollständig unnatürliche Situation, indem das damalige Preußen in
einer Zwangslage dem übermächtigen Frankreich gegenüber sich befand. Ich
kann nach meinen diplomatischen Erfahrungen keinen Grund absehen, warum
ein Friedensbruch zwischen uns und England möglich sein sollte, es müßte
denn irgend ein unberechenbares Ministerium in England, das weder da ist
noch nach der politischen erblichen Weisheit der englischen Nation wahrschein-
lich ist, in der ruchlosesten Weise uns angreifen und beschießen — ja, mein
Gott, dann werden wir uns wehren — aber abgesehen von dieser Unwahr-
scheinlichkeit ist gar kein Grund für eine Friedensstörung, und ich bedaure,
daß der Herr Vorredner mich in die. Notwendigkeit versetzt hat durch seine
Andeutung, dieser Möglichkeit meine Überzeugung entgegensetzen zu müssen.
Unsere Meinungsverschiedenheiten gegenüber England werden in menschlich
absehbarer Zeit niemals die Tragweite haben, daß sie nicht durch ehrlichen
guten Willen und geschickte vorsichtige Diplomatie, wie sie von unserer Seite
sicherlich getrieben wird, erledigt werden könnten."
12. Januar. (Elsaß-Lothringen.) Die Landeszeitung
veröffentlicht einen Erlaß des Statthalters vom 6. Januar, in
welchem er sich mit den auf Grund der stattgehabten Enquete ein-
zuführenden landwirtschaftlichen Reformen einverstanden erklärt.
In dem Erlaß heißt es: „Eine durchgreifende Reform des land-
wirtschaftlichen Kreditwesens wird durch die dem Landesausschuß noch in der
diesjährigen Session vorzulegenden Gesetzentwürfe über Verbesserung des Im-
mobiliar- und Hypothekenrechtes und über Errichtung einer Landeskredit-An-
stalt eingeleitet werden. Ebenso sind von großer Wichtigkeit die eventuell
beabsichtigten Änderungen der Landes-Steuergesetzgebung, wodurch einerseits
eine Ermäßigung der Sterbefall- und Handänderungsgebühren ermöglicht
und andererseits ein Mittel gewonnen werden würde, dem verderblichen, von
Vertretern der Landwirtschaft aus allen Teilen des Landes beklagten Übel
des übermäßigen Branntweintrinkens entgegenzutreten. Nicht minder wichtig
sind die in dem Berichte scharf ins Auge gefaßten Verbesserungen im Be-
triebe der Landwirtschaft, insbesondere die Ausdehnung des Feldwege-Netzes,
die Wasserverhältnisse u. s. w. Einfluß auf die Besserung der landwirtschaft-
lichen Verhältnisse hat, weil hiebei die Finanzfrage entscheidend ist, vor allem
die Reichsgesetzgebung. Ich bin daher vollkommen damit einverstanden, daß aus
dem Resultate der Untersuchung Veranlassung genommen wird, den Wunsch
auf Einführung des Tabakmonopols und auf Erhöhung der Getreidezölle
erneuert an den Herrn Reichskanzler gelangen zu lassen. Jedoch nur ab-
warten, bis die Reichsgesetzgebung Hilfe schafft, dürfen wir nicht, und ist es
daher geboten, daß die Landesgesetzgebung soweit möglich helfend eingreift.
Fest steht, daß die Interessen der Landwirtschaft finanzielle Opfer erfordern,
aber fest steht auch, daß die Ordnung des Staatshaushaltes nicht gefährdet
werden darf. Die Erreichung eines Teiles der in der Untersuchung geäußer-
ten Wünsche hängt von der Thätigkeit der Landwirte selbst ab.“
11. Januar. (Baden.) Die Vertrauensmänner-Versamm-
lung der nationalen und liberalen Partei nimmt, um eine Spaltung