I.
Die Osterreichisch-ungarische Monarchie.
4. Januar. (Galizien.) Verhandlung über den Antrag
Romanczuk, betreffend die Einführung der ruthenischen Sprache an
den Volks-- und Mittelschulen Ostgaliziens.
Der Landtag weist die von dem Unterrichts-Ausschuß zur Annahme
empfohlenen drei Resolutionen an den Ausschuß zurück mit dem Auftrage,
noch in der laufenden Session von neuem Bericht zu erstatten. Die Reso-
lutionen des Ausschusses gehen dahin: Die Regierung aufzufordern, „sich zu
bestreben", daß in denjenigen Gemeinden, welche zwei Volksschulen besitzen
und in denen wenigstens dreitausend Personen sich der ruthenischen Sprache
bedienen, eine ruthenische Schule errichtet werde, jedoch nur dann, wenn es
sich zeigen sollte, daß eine entsprechende Anzahl von Eltern bereit sei, ihre
Kinder diese Schule besuchen zu lassen. Die Errichtung eines zweiten ru-
thenischen Gymnasiums in irgend „einer Stadt Galiziens solle dem Landes-
schulrate anheimggenetr werden. Uberdies aber sollte die Regierung aufge-
fordert werden, an den Mittelschulen den Unterricht der polnischen und ru-
thenischen Sprache in der Weise obligatorisch einzuführen, daß nur auf Ver-
langen der Eltern den Schülern an polnischen Schulen das Ruthenische und
an ruthenischen Schulen das Polnische erlassen werden könne.
7. Januar. (Böhmen.) Beginn der Budgetdebatte im
Landtage.
Knotz und Pickert bringen die deutschen Beschwerden vor. Knotz
erörtert die Königinhofer Vorfälle (vgl. 24. August 1885), beleuchtet den
Königgrätzer Gerichtsspruch (11. Oktober 1885), und kommt zuletzt auf die
offiziöse Presse zu sprechen. Wiederholt unterbricht der Oberstlandmarschall
den Redner, weil seine Ausführungen nicht zur Sache gehörten. Der Oberst-
landmarschall entzieht zuletzt Knotz das Wort. Nachdem er von dem Abg.
Schmeykal darauf aufmerksam gemacht ist, daß nach der Geschäftsordnung
des böhmischen Landtages einem Redner das Wort erst mit Zustimmung des
ganzen Hauses entzogen werden könne, befragt der Vorsitzende den Landtag.
Die feudal-tschechische Majorität spricht sich für die Entziehung des Wortes
aus, die Jungtschechen stimmen mit den Deutschen dagegen. Der Statt-
halter antwortet auf die unterbrochene Rede des Dr. Knotz mit dem Be-
merken, er sei mit gebundener Marschroute nach Böhmen gekommen; man
habe ihm die kurze Parole mitgegeben: „Gesetzlichkeit und Parteilosigkeit“.
Pickert nimmt die Anklagen wieder auf, in denen Knotz unterbrochen worden
Europ. Geschichtskalender XXVII. Bd. 13