Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiter Jahrgang. 1886. (27)

8 Bs beruische Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 13—14.) 
die Berichte der deutschen Offiziere abgewartet werden. Aus letzteren ergab 
sich, daß unsere Offiziere streng nach ihrer Segelordre verfahren waren. Sie 
hatten die deutsche Flagge auf der Inselgruppe aufgehißt, weil sie dort keine 
spanische Flagge besoonden hatten. Andererseits wurde aber auch festge- 
stellt, daß zu der Zeit, als unsere Schiffe nach der Karolinengruppe gelangt 
waren, seitens der Spanier bereits seit mehreren Tagen dort verschiedene Akte 
vorgenommen worden waren, welche als eine bona üide-Besitzergreifung an- 
erkannt werden mußten. Sie hatten Häuser ausgeladen, Beamte ausge- 
schifft u. s. w. Als eine Spanien befreundete Macht durfte Deutschland 
seine Anerkennung der Okkupation nicht von dem Aushissen einer Flagge 
abhängig machen. Um zu einer staatsrechtlichen Entscheidung der Frage we- 
gen der Priorität der Besitzergreifung zu gelangen, bedurfte es eben aller 
dieser Feststellungen. Auch dann hätte man noch darüber streiten können, 
ob die Besitzergreifung der Insel Yap die ganze Karolinengruppe decke. Die 
Sache schien indes nicht wichtig genug, um ihretwegen mit Spanien Zwistig- 
keiten anzufangen. 
Ferner am 21. Januar: Bei dem Anrufen der päßpstlichen Vermitte- 
lung handelte es sich nicht um das Objekt der Karolinen, nicht darum, ob 
dieselben dem einen oder dem andern zuzusprechen seien, sondern um eine 
hochgradige Spannung zwischen Deutschland und Spanien. Der Territorial= 
besitz der Karolinen ist an sich kein Gegenstand von größerer Wichtigkeit ge- 
wesen, als die Streitigkeiten, die in Westafrika, am Kap und im größeren 
Maßstab noch in Neu-Guinea zwischen England und Frankreich einerseits 
und Deutschland anderseits geschwebt haben, Streitigkeiten, die mit Leichtig- 
keit im Wege gewöhnlicher Korrespondenz und ohne jede Vermittelung ge- 
schlichtet werden konnten. Jeder Leser im Publikum weiß, wie hoch die Er- 
regung zeitweise in Spanien gestiegen ist, wie bedrohliche Momente für unsern 
Frieden mit diesem befreundeten Lande und für dessen eigenen innern Zustand 
vorhanden gewesen find. Die Spannung zwischen zwei an sich auf gegen- 
seitige Freundschaft angewiesenen Nationen beigelegt zu haben, ist das Lohe 
und unbestreitbare Verdienst der päpstlichen Vermittelung. Kein anderer als 
der Papst würde denselben Erfolg erreicht haben, es gehörte dazu die all- 
seitige Verehrung, deren sich die Persönlichkeit Leo XIII. erfreut, und die 
besondere Begabung für die Geschäfte des Friedens, die diesem hohen Herrn 
nach Charakter und Wissen beiwohnen. · 
13. Januar. Gayern: Reichstagsdiäten.) Die Abge- 
ordnetenkammer nimmt die von der Volkspartei eingebrachte Pe— 
tition an, 
die bayerische Regierung möge im Bundesrate für die Gewährung 
von Diäten an die Mitglieder des Reichstags eintreten. Sowohl klerikale 
wie liberale Abgeordnete befürworten die Gewährung von Diäten. Der Mi- 
nister des Innern v. Feilitzsch erklärt, die Regierung halte ihren bisherigen 
Standpunkt der sorgfältigen Erwägung bei Herantreten der Frage an den 
Bundesrat aufrecht. Die Petition wird angenommen. Dagegen stimmen die 
Konservativen und sieben Nationalliberale, bharunter die Abgeordneten Schauß 
und Fischer. 
14. Januar. Preußen: Eröffnung des Landtages. Der Kaiser 
eröffnet den Landtag persönlich mit folgender Thronrede: 
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Land- 
tages! Indem Ich Sie am Eingange einer neuen Legislaturperiode willkom- 
men heiße, ist es Meinem Herzen Bedürfnis, von dieser Stelle aus nochmals
	        
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