IV.
Spanien.
2. Januar. Minister des Auswärtigen Moret legt den Kortes
einen Gesetzentwurf vor, dessen Art. 1 die Regierung ermächtigt, alle
bestehenden Handelsverträge bis Dezember 1892, wo der Vertrag
mit Frankreich abläuft, zu verlängern. Art. 2 bestimmt, daß die
Regierung diese Vollmacht benutzen wird, wenn sie es den spanischen
Interessen angemessen erachtet.
In der Einleitung zu diesem Gesetzentwurf heißt es, daß die Be-
stimmungen der bestehenden Verträge abgeändert werden könnten; dieser Gesetz-
entwurf sei der unerläßliche Zusatz zu dem Vertrage über die Karolinen,
weil Canovas im Verlaufe der durch Vermittelung des Papstes eröffneten
Verhandlungen die Verlängerung des Handelsvertrages mit Deutschland zu-
gesagt habe.
Die Verhandlungen über diese Vorlage führen Tags darauf zu einer
stürmischen Kammersitzung. In derselben erklärt Canovas nach einer Rede
des Republikaners Meiro, der Verhandlung über die Karolinen-Angelegen-
heit forderte, daß die Abdankung der Königin Isabella unerläßlich und gesetz-
mäßig und die Grundlage selbst der bestehenden Verfassung sei. Hierauf
verteidigt Silvela die Politik des früheren Kabinets in der Karolinen-Frage
und spielt auf die Meinungsverschiedenheiten Canovas' und Romero Robledos
an, welcher der Sitzung nicht anwohnte, weil er Sagasta versprochen hatte,
nicht im Interesse der Dynastie zu reden; aber von Freunden unterrichtet,
erscheint Romero Robledo mit blassem Gesicht plötzlich im Sitzungssaal und
erklärt, er habe den Waffenstillstand nicht gebrochen und bitte für Montag
den 4. ums Wort. In dieser Moantgesshung greift Romero Robledo den
Kammerpräsidenten Canovas wegen seiner Haltung nach dem Tode des Königs
heftig an. Die Regierung beteiligt sich nicht an der Erörterung. Diese
führt zu einer Spaltung in der konservativen Partei.
5. Januar. Ministerpräsident Sagasta verliest in der Kammer
einen Erlaß der Königin, durch welchen die Kortessitzungen bis
auf weiteres vertagt werden. Der Entwurf betreffs Verlängerung
der Handelsbündnisse ist vertagt. Dieser Erlaß ist die Folge der
jüngsten Ereignisse in der Kammer.
Europ. Geschichtskalender. XXVII. Bd. 18